Bonn (epo). - Nach der internationalen Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen haben auch die Salesianer Don Boscos die Eskalation der Gewalt im ärmsten lateinamerikanischen Land Haiti beklagt. Zwei Wochen nach Verlängerung des UN-Mandats und der Aufstockung der Blauhelm-Soldaten um 1.000 auf 7.400 habe die Zahl der Morde, Überfälle und Entführungen dramatisch zugenommen. Die Situation in Haiti werde immer bedrohlicher, erklärte der katholische Orden in Bonn.
"In der Hauptstadt Port-au-Prince werden im Schnitt 10 Personen am Tag gekidnappt. Professoren, Schulleiter, ausländische Diplomaten, Frauen, Kinder - niemand ist sicher. Kürzlich haben sie ein 12-jähriges Mädchen entführt und ihm die Augen ausgestochen, weil die Eltern nicht zahlen konnten," sagte Pater Jacques Charles, Leiter der Salesianer Don Boscos (SDB) in Haiti. Der Orden kümmert sich seit mehr als 30 Jahren um Schul- und Berufsbildung von Straßenkindern in dem armen karibischen Land.
Sämtliche Straßen im Zentrum von Port-au-Prince seien leer gefegt, alle Geschäfte geschlossen, so Pater Charles. In komplette Stadtviertel wie Bel Air und Cit? Soleil traue sich mit Ausnahme der Salesianer niemand mehr. "Wir haben alle Todesangst." Besonders gefährdet seien die Straßenkinder. Rund 3000 obdachlose Mädchen und Jungen leben in Port-au-Prince. "Sie werden von diesen Banden gefoltert, getötet, zur Prostitution gezwungen oder an Organhändler verkauft. Einige haben riesige Narben, die meisten überleben das nicht," sagte Ordensbruder Jean Paul Muller, Leiter der internationalen Koordinierungsstelle der Salesianer Don Boscos in Bonn, der kürzlich in Haiti war. Die Hilfsprojekte des Ordens werden von Bonn aus koordiniert und finanziert.
Die Salesianer Don Boscos haben für diese Kinder Schutzzentren errichtet, in denen 26.000 Kinder aus hungernden Familien in Port-au-Prince und Umgebung täglich eine Mahlzeit am Tag bekommen. "Aber im Moment können die Salesianer nur die Hälfte der Kinder versorgen, weil die anderen sich nicht aus dem Haus trauen." Darüber hinaus leiten die Ordensleute drei Straßenkinderzentren in Port-au-Prince sowie Schul- und Berufsbildungszentren im Norden, Süden und Westen des Landes. "Dort sind die Kinder vorläufig sicher. Aber niemand weiß, wie lange."
Die Salesianer arbeiten als Pädagogen mit den Straßenkindern. "Kinder sind die Zukunft eines jeden Landes", so Muller. "Doch täglich erleben sie hier in Haiti, dass nur das Recht des Stärkeren gilt. Wir vermitteln ihnen, dass es trotzdem moralische Werte gibt, man Kranken und Schwachen hilft. Denn nur wenn ihr natürliches Gefühl für Recht und Unrecht entwickelt wird, können diese Mädchen und Jungen ihre Gesellschaft verändern und zum Frieden führen."