Berlin (epo). - Selten hat ein neues Medium so viele Erwartungen geweckt und so viele Befürchtungen ausgelöst wie das Internet. Seit dem Beginn des Internet-Booms Mitte der 90er Jahre verbanden viele Aktivisten in Bürgerrechtsbewegungen und anderen Gruppen der Zivilgesellschaft mit dem heraufziehenden Informationszeitalter die Hoffnung auf globale Gerechtigkeit und weltweite Demokratisierung: "Die Internetionale erkämpft das Menschenrecht", lautete einer ihrer Slogans. Die Gegenseite machte in der digitalen Revolution sogleich Gefahren aus und rief nach Kontrolle, Regulierung und Zensur. Um die Gesellschaft vor Schaden zu bewahren, müssten politischer Extremismus, religiöse Militanz, Pornographie oder "westliche Dekadenz" aus dem Netz der Netze verbannt werden, lautet ihre Überzeugung.

Die dezentrale Struktur des Internet bietet die Möglichkeit, bei vergleichsweise geringen Kosten weltweit zu kommunizieren und zu publizieren. Das Netz von Computernetzwerken ohne zentrale technische und administrative Infrastruktur lässt sich nur schwer überwachen und kontrollieren. Nationalstaatliche Regulierungsversuche sind zum Scheitern verurteilt, solange verbotene Inhalte ohne grösseren Aufwand auf Internet-Computern im Ausland gespeichert werden können. Regulierungs- und Kontrollbestrebungen geraten sehr schnell auch in Konflikt mit dem Interesse der Wirtschaft, sich im Rahmen der Globalisierung ohne nationalstaatliche Gängelung am internationalen Wettbewerb um die künftigen Märkte beteiligen zu können.

Insbesondere autoritäre Regierungen des Südens stehen vor einem Dilemma. Einerseits möchten sie ihre Wirtschaft für den internationalen Wettbewerb fit machen und ihr Land nach Möglichkeit direkt ins Informationszeitalter katapultieren. Andererseits glauben sie, auf die staatliche Kontrolle der Medien nicht verzichten zu können und wollen auch das Internet der direkten oder indirekten Zensur unterwerfen.

Rund 45 Staaten, so die Journalisten-Hilfsorganisation "Reporter ohne Grenzen" in ihrem Bericht "Feinde des Internet", versuchen das Netz der Netze auf die eine oder andere Weise zu kontrollieren und zu gängeln - meist unter dem Vorwand, die "nationale Sicherheit und Einheit" zu verteidigen und die Öffentlichkeit vor "subversiven Ideen" zu schützen. In 20 Ländern wird dem Bericht zufolge der Zugang zum Internet vom Staat völlig oder sehr stark kontrolliert. Hierzu zählen Aserbaidschan, Burma, China, Irak, Iran, Kasachstan, Kirgisistan, Libyen, Kuba, Nord-Korea, Saudi-Arabien, Sierra Leone, Sudan, Syrien, Tadschikistan, Tunesien, Turkmenistan, Usbekistan, Vietnam und Weißrussland.

Zensur vor allem in Asien an der Tagesordnung

Die Volksrepublik China gehört zu den Ländern mit den striktesten Kontrollen über das Internet. Bereits im Juni 1995 kündigte das Telekommunikationsministerium an, Informationen aus dem Internet würden kontrolliert. Wenig später wurde angeordnet, Internet Service Provider (Firmen, die Internet-Zugänge anbieten) müssten eine Lizenz beantragen und dürften nur staatlich überwachte Datenleitungen für Internet-Anbindungen verwenden. Internet-Nutzer müssen sich registrien lassen. Seit Januar 2000 ist ihnen verboten, "Staatsgeheimnisse" im Internet zu verbreiten - eine Formulierung, die in China auch auf die Verbreitung in der Öffentlichkeit längst bekannter Informationen angewendet werden kann und häufig zur Kriminalisierung von Dissidenten benutzt wird.

Am Beispiel China wird deutlich, wie schwierig es ist, die Internet-Industrie mit Kontrollen zu gängeln, ohne gleichzeitig das rapide Wachstum dieser Industrie zu behindern. In China kommt alle drei Sekunden ein neuer Internet-Nutzer hinzu. Die Zahl der Menschen, die trotz bürokratischer Hürden online gehen, verdoppelt sich nach Regierungsangaben alle sechs Monate. Mitte 2000 hatten bereits 17 Millionen Chinesen einen Internet-Anschluss.

Beobachter der Situation in China wie das "Digital Freedom Network" im US-amerikanischen Newark kommen zu dem Schluss, angesichts des exponentiellen Wachstums der Internet-Nutzung und des erklärten Willens der Regierung, dieses Wachstum nicht zu behindern, sei die strenge Regulierung nicht mehr als "eine Warnung und eine Erinnerung, dass alles, was auch nur entfernt gegen die Regierung gerichtet sein könnte, nicht im Internet erscheinen sollte".

Im Einzelfall werden dennoch drakonische Strafen verhängt. Lin Hai, ein Software-Unternehmer aus Shanghai, wurde im März 1998 als erster Chinese im Zusammenhang mit einem Internet-Delikt verurteilt. Er erhielt zwei Jahren Gefängnis wegen "Hochverrats". Ihm war vorgeworfen worden, er habe 30.000 chinesische E-Mail-Adressen an eine Dissidenten-Organisation in den USA weitergegeben.

Der 36jährige Journalist Qi Yanchen wurde am 19. September 2000 wegen "Subversion" zu vier Jahren Haft verurteilt. Er wurde von einem Volksgericht in der Provinz Hebei für schuldig befunden, regierungskritische Artikel für einen in den USA erscheinenden Internet-Newsletter geschrieben zu haben. Der Journalisten-Hilfsorganisation "Reporter ohne Grenzen" zufolge ist dies die bislang härteste Strafe für einen "Web-Dissidenten" in China.

Das "New Culture Forum", eine Gruppe chinesischer Dissidenten in der Provinz Shandong, riskierte es erstmals, einen eigenen regierungskritischen Webserver in China einzurichten. Die meisten Webseiten von Dissidenten werden im Ausland betrieben, meist in den USA. Anfang August 2000 wurde die Website mit der Begründung, es seien "rekationäre Inhalte" publiziert worden, von Sicherheitskräften gelöscht und eine Fahndung nach den Verantwortlichen eingeleitet. Eine Woche später erschienen die verbotenen Seiten aber bereits im Internetangebot der New Yorker Initiative "Human Rights in China".

Auch in Burma ist der Zugang zum Internet streng reglementiert. Einen Internet-Zugang bei der staatlichen Telekommunikations-Gesellschaft erhält man nur mit offizieller Erlaubnis der Regierung. Die Einrichtung einer eigenen Website muss gesondert beantragt und genehmigt werden. Wie der britische Rundfunksender BBC berichtete, sind Besitzer eines Internet-Zuganges gehalten, jede "Bedrohung" durch das Internet den Behörden zu melden. Wer für sein Modem keine staatliche Lizenz vorweisen kann, riskiert bis zu 15 Jahre Haft. Bislang können in Burma allerdings fast ausschliesslich Regierungsbehörden und Firmen auf das Internet zugreifen.

Wer in Vietnam Zugang zum Internet haben möchte, muss eine Erlaubnis des Innenministeriums einholen und ist auf staatliche Internet-Provider angewiesen. Websites vietnamesischer Exilorganisationen und internationaler Menschenrechtsorganisationen werden "Reporter ohne Grenzen" zufolge blockiert. Vietnam hat Ende September eine zehnprozentige Senkung der Telefon- und Internet-Gebühren angekündigt, um die Nutzung des Internet zu fördern und ausländische Investoren nicht länger abzuschrecken. Im Jahr 2001 sollen die Preise noch einmal um rund zehn Prozent sinken. Das staatliche Telekommunikationsunternehmen VNPT erwartet einen Anstieg der Zahl vietnamesischer Internetnutzer von derzeit 50.000 auf etwa eine Million in fünf Jahren.

Die Regierung Malaysias unter Ministerpräsident Mahathir Mohamed unterstützt die Verbreitung von Computern und Internet massiv und möchte Malaysia unter den führenden Nationen des Informationszeitalters etablieren. Als Ende Juli 2000 eine militante islamische Sekte auf ihrer Website zum Heiligen Krieg aufrief, kündigte das Kommunikationsministerium jedoch an, mit aller Härte gegen Regierungsgegner vorzugehen, die "Lügen" oder "Drohungen" im Internet verbreiteten. Das Kommunikations- und Multimedia-Gesetz erlaubt hohe Geldstrafen und bis zu einem Jahr Haft für Zuwiderhandlungen. Offensichtlich sind der Regierung aber nicht nur Websites militanter Islamisten ein Dorn im Auge. Seit der frühere stellvertretende Ministerpräsident Anwar Ibrahim inhaftiert und zu einer langjährigen Haftstrafe wegen angeblicher Korruption und Homosexualität verurteilt wurde, sprießen regierungskritische Websites wie Pilze aus dem Boden.

Der Stadtstaat Singapur verfolgte von Beginn an ein abgestuftes Modell der Regulierung des Internet. Da der Staat erotische Magazine und Filme verboten hat und auch politische und religiöse Aktivitäten kontrolliert, wurden ausländische Zeitschriften in der Vergangenheit immer wieder zensiert. Auch das Internet geriet schnell in die Fänge der staatlichen Zensur. Die Telefongesellschaft "Singapore Telecommunications" sperrte als Anbieter internationaler Datenleitungen anstößige Adressen.

Die Regierung setzte aber vor allem auf die "freiwillige" Selbstkontrolle durch die Provider, die voll verantwortlich gemacht wurden für die Inhalte, die ihre Kunden im Netz publizierten. Die Provider wurden darüber hinaus angewiesen, mit Hilfe der Software "NetNanny" pornografische Inhalte aus dem Internet-Angebot heraus zu filtern.

Anfang August 2000 verkündete Kommunikationsminister Yeo Cheow Tong eine Lockerung der bestehenden Regelungen. Internet-Provider, die lediglich Kunden ans Netz anbinden, sollten für die von den Kunden verbreiteten Inhalte strafrechtlich nicht mehr verantwortlich gemacht werden können, hiess es. Der Minister ließ durchblicken, dass vor allem ökonomische Überlegungen für die veränderte Haltung der Regierung den Ausschlag gaben. Singapur soll als einer der wichtigsten asiatischen Datenknotenpunkte etabliert werden und in der Internet-Ökonomie als "Global Player" in Erscheinung treten, insbesondere im Bereich des "Electronic Commerce". Allzu restriktive Gesetze sind diesem Ziel hinderlich. "Wir werden die existierenden Gesetze und Regelungen überprüfen und sie auf den neuesten Stand bringen, damit wir die Bedürfnisse der neuen Ökonomie befriedigen können", erklärte Kommunikationsminister Yeo Cheow Tong.

In den meisten zentralasiatischen Ländern gibt es nur staatliche Internet-Provider, und die Regierungen üben nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" strikte Kontrollen der Internet-Zugänge aus. In Aserbaidschan und Usbekistan gibt es zwar private Provider, sie werden aber von den Telekommunikationsministerien streng überwacht. In Kasachstan und Kirgisistan verlangen die Behörden von privaten Internet-Providern so hohe Verbindungspreise, dass kaum Konkurrenz auf dem Markt entstehen kann.

Als einziges lateinamerikanisches Land erscheint Kuba auf der Liste der "Feinde des Internet", die "Reporter ohne Grenzen" erstellt hat. Auf Kuba haben bislang nur wenige Privatpersonen Zugang zum Internet. Neben schlechten Telefonleitungen und hohen Gebühren in Internet-Caf?s gibt es andere, staatlich verordnete Hürden: Potenzielle Internet-Nutzer müssen nachweisen, dass sie den Zugang zum Internet zu Forschungszwecken benötigen oder einer staatlich genehmigten Organisation angehören. Wer sich einloggen kann, stellt schnell fest, dass sich viele Internetseiten im Ausland nicht aufrufen lassen. Die kommunistische Regierung ist laut einem Bericht des US-Fernsehsenders ABC in der Lage, alle privaten E-Mails zu überwachen und kubanische Websites zu zensieren. Da sich das Regime dem Internet-Boom jedoch nicht gänzlich verschließen will, wurde eine Kampagne angekündigt, Internet-Zugänge in 150 Computerclubs und in 2.000 Postämtern einzurichten.

Der erste offizielle Akt von Internet-Zensur in Afrika geschah in Sambia. Laut "Article 19", einer Londoner Organisation für den weltweiten Schutz der freien Meinungsäußerung, zwang die sambische Regierung im Februar 1996 den Provider Zamnet, eine verbotene Ausgabe der Tageszeitung "The Post" aus dem Netz zu nehmen. Darin wurde über geheime Pläne der Regierung für ein Verfassungsreferendum berichtet. Die inkriminierte Ausgabe erschien wenig später auf einem Webserver in den USA. Die Regierung Sambias versuchte in der Folgezeit vergeblich, Zamnet dazu zu bewegen, das Online-Publishing der "Post" ganz einzustellen.

Die Regierung Tunesiens erklärte, sie blockiere lediglich den Zugang zu Internet-Inhalten, die die "moralischen Werte" verletzten. Nach Informationen der Washingtoner Organisation "Human Rights Watch" waren davon jedoch auch verschiedene Menschenrechtsorganisationen betroffen, darunter Amnesty International. Neben speziellen Gesetzen wendet die tunesische Regierung auch die herkömmlichen repressiven Pressegesetze zur Kontrolle des Internet an.

Ein Haupthindernis für die freie Meinungsäußerung ist nach wie vor die staatliche Dominanz im Telekommunikationssektor. In Malawi, in Äthiopien, aber auch in Südafrika und vielen anderen afrikanischen Staaten versuchten die staatlichen Telekommunikationsgesellschaften von Beginn an zu verhindern, dass private Internet-Provider in Konkurrenz zu ihnen traten. Die UN-Wirtschaftskommission für Afrika beklagte, die meisten afrikanischen Regierungen versuchten die Kontrolle über die Telekommunikations-Infrastruktur zu behalten - aus Furcht, Marktanteile zu verlieren, oft aber auch in der Absicht, den Informationsfluss weiter kontrollieren zu können. Lediglich die Regierung Senegals erhielt Lob für ihre Politik, schnell gesetzliche Rahmenbedingungen für das Internet zu formulieren und Joint Ventures mit der Privatwirtschaft einzugehen.

Meist scheitert der Zugang zum Internet für Afrikaner jedoch nicht an Zugangsbeschränkungen der Regierungen, sondern an der fehlenden Infrastruktur, an zu hohen Kosten und mangelnder Bildung. Telezentren und Internetcaf?s, die in städtischen Gebieten bereits vielen Menschen Zugang zum Internet und Beratung bei der Nutzung der Internetdienste bieten, haben auf dem Land Probleme bei der Refinanzierung ihrer Investitionen. Um so wichtiger sei es, Politiker und Geschäftsleute auf das Recht auf Information und freie Meinungsäußerung aufmerksam zu machen, um eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern, so die Londoner Organisation "Article 19".

Kontroll- und Regulierungsbestrebungen beschränken sich jedoch keineswegs auf Entwicklungsländer. Die Regierungen Australiens, Deutschlands, der USA und anderer westlicher Länder versuchten, Zugriffe auf rechtsextremistische oder pornographische Inhalte zu unterbinden. In Deutschland wurde der frühere Geschäftsführer des Onlinedienstes CompuServe vor Gericht gestellt, weil der den technischen Zugang zu solchen Internetseiten nicht unterbunden hatte. Er wurde freigesprochen. Die US-Regierung versuchte bereits 1996 mit dem "Communications Decency Act" Pornographie aus dem Netz zu verbannen, scheiterte jedoch vor dem Obersten Gerichtshof.

Methoden der Internet-Kontrolle

Die Methoden, unerwünschte Internet-Inhalte von der eigenen Bevölkerung fern zu halten, konzentrieren sich in der Regel darauf, den technischen Zugang zum Internet generell zu kontrollieren oder aber unerwünschte Inhalte herauszufiltern und zu blockieren.

In autoritären Staaten wie China fällt es den Behörden leicht, den Zugang zum Internet zu unterbinden oder zumindest zu erschweren. Die wenigen Institutionen und Firmen, die internationale Datenleitungen anbieten und den Zugang zum Internet herstellen können, sind in staatlichem Besitz oder zumindest unter staatlicher Kontrolle. Kleinere Internet-Provider oder Einzelpersonen müssen sich registrieren lassen, so dass der Zugang eingeschränkt werden kann.

Selbst in China oder Kuba lässt sich diese Zensurmethode jedoch nur begrenzt durchhalten. Die Internet-Nutzung kann aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf Dauer gehemmt werden. Verfeinerte Kontrollmechanismen zielen darauf ab, statt des generellen Zuganges zum Internet den Zugang zu bestimmten Inhalten zu verhindern.

Internet-Provider können die Geräte, die die Datennetze miteinander verbinden, so konfigurieren, dass der Zugang zu bestimmten Internet-Adressen nicht hergestellt werden kann. Beim Austausch von Informationen über das Internet mit Hilfe des Internet-Protokolls (IP) werden die Informationen in kleine Datenpakete unterteilt, die jeweils eine numerische Absender- und Zieladresse besitzen. Datenpakete von einem bestimmten Absender können damit blockiert werden.

Es kann jedoch auch mitprotokolliert werden, welche Internet-Adressen vom Nutzer abgerufen werden. Internet Service Provider verwenden sogenannte "Proxy Server" als Zwischenspeicher für Internetseiten, die von ihren Kunden aufgerufen werden. In erster Linie soll dies den Datentransfer verringern und somit Geld sparen. Alle Internet-Anfragen werden über diesen Server geleitet, der wiederum die verlangten Seiten abruft, sofern sie nicht bereits in seinem Speicher bereit gehalten werden. Auf diese Weise lässt sich kontrollieren, welche Internet-Adressen von welchem Computer aus aufgerufen werden und wie lange die Online-Sitzung dauert.

Es gibt jedoch auch andere Möglichkeiten, unerwünschte Internet-Inhalte vom potenziellen Nutzer fernzuhalten. Software-Hersteller und Online-Dienste wie America Online (AOL) haben Filterprogramme (z.B. "NetNanny" oder "CyberPatrol") insbesondere zum Schutz von Kindern entwickelt. Eltern oder Lehrer können mit Hilfe dieser Zusatz-Software eine Liste von Internetseiten festlegen, die nicht angezeigt werden dürfen. Einen ähnlichen Ansatz haben "Rating-Systeme": Hier werden Internetseiten auf das Vorhandensein von Gewaltdarstellungen, Pornographie etc. hin überprüft. Der Nutzer kann in seinem Programm zum Surfen im World Wide Web (z.B. Microsoft Internet Explorer) festlegen, welches Bewertungs-System verwendet werden soll. Je nach Wunsch werden Inhalte, die mit Gewalt, Sex oder Rassendiskriminierung zu tun haben, nicht angezeigt.

Filterprogramme, die unerwünschte Inhalte auflisten, haben jedoch das Problem, dass die Listen schnell veralten. Zur Bewertung von Internetseiten wird häufig eine Volltext-Suche auf Websites verwendet. Diese Suche nach bestimmten Stichwörtern liefert freilich keine Erkenntnis, in welchem Kontext das Stichwort steht. Unter Umständen werden so bei der Suche nach Websites, die rassistische Inhalte aufweisen, auch Internet-Angebote auf den Index gesetzt, die sich kritisch mit rassistischem Gedankengut auseinandersetzen und zu Toleranz aufrufen.

Maßnahmen zur Umgehung von Internetkontrollen

So vielfältig die Möglichkeiten sind, den Zugang zu Internet-Inhalten zu verhindern oder zu erschweren, so vielfältig sind auch die Möglichkeiten, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Beschränkung des technischen Internet-Zuganges auf staatliche oder staatlich kontrollierte Provider läßt sich umgehen, indem z.B. über Telefonleitungen Provider im Ausland angewählt werden. Blockaden bestimmter Internet-Adressen lassen sich ausschalten, indem der Anbieter die Seiten auf einem anderen Webserver installiert. Dies bedeutet zumindest einige Zeit Aufschub, ehe auch die neue Adresse blockiert ist.

Blockaden von bestimmten Internet-Adressen durch den Provider können auch umgangen werden, indem ein "Anonymizer" zwischengeschaltet wird. Der Internet-Nutzer ruft hierbei zunächst die Internet-Seite des "Anonymisierers" auf und geht erst danach auf die Webseiten, die er eigentlich besuchen möchte. Die Datenpakete, die dabei übertragen werden, erhalten in diesem Fall die IP-Adresse des Anonymizers. Der Proxy-Server des Providers kann die übertragenen Datenpakete nicht als gesperrte Inhalte identifizieren und erlaubt die Übermittlung der Daten. Die Regierungen Chinas, Singapurs und der Vereinigten Arabischen Emirate blockieren "aus nachvollziehbaren Gründen", so Human Rights Watch, den Zugang zu Websites wie www.anonymizer.com, um Nutzern diesen Ausweg zu erschweren.

Um die Kontrolle des E-Mail-Verkehrs zu umgehen, kann eine Software zur Verschlüsselung der Nachrichten benutzt werden. Der Nachteil dabei ist, dass die Versendung verschlüsselter Nachrichten das Misstrauen staatlicher Zensurbehörden erst recht weckt. Mit Hilfe einer sogenannten "Steganographie"-Software kann ein Text auch in einer Grafik, einer Tondatei oder einem Videoclip versteckt werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, einen "Remailer" zu verwenden. Der Rechner des Remailers wird zwischen Sender und Empfänger der elektronischen Post geschaltet, so dass der eigentliche Absender unerkannt bleibt.

Gegen Zensur im Internet

Eine Reihe von Organisationen hat sich explizit den Kampf gegen Zensur im Internet auf ihre Fahnen geschrieben. Das "Freedom House" in Washington gehört zu ihnen, ebenso das "Digital Freedom Network" in Newark, New Jersey, das zensierte Artikel auf seiner Website publiziert. Die "Electronic Frontier Foundation" in San Francisco hat die "Blue Ribbon"-Kampagne für das Recht auf freie Meinungsäußerung im Netz gestartet. Aber auch Menschenrechtsorganisationen wie "Human Rights Watch" in Washington oder Journalisten-Hilfsorganisationen wie "Reporter ohne Grenzen" in Paris haben ihr Augenmerk auf die Internet-Zensur gerichtet. Mitunter entstehen aus solchen Initiativen Netzwerke, die eine Gegenöffentlichkeit herstellen: Das "Open Society Institute" in New York hat z.B. im Rahmen seiner Projektarbeit gemeinsam mit burmanischen Exilanten und Burma-Unterstützergruppen eine Website und einen Online-Newsletter eingerichtet, um die Öffentlichkeit über die aktuelle Entwicklung in Burma zu informieren.

"Die Menschheit ist in das Internet-Informationszeitalter eingetreten", schreibt der Gründer des chinesischen "New Culture Forum" unter dem Pseudonym Xin Weiming auf der Website der britischen Organisation "Index on Censorship". "Die Menschen benutzen das Internet, um Ideen auszutauschen und Nachrichten zu übermitteln. Das ist ein historischer Trend, der nicht aufgehalten oder umgekehrt werden kann."

Klaus Boldt


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