UNESCODurban/Köln (epo). - Das Welterbekomitee der UNESCO hat auf seiner 29. Tagung vom 10. bis 17. Juli 2005 in Durban, Südafrika, weitere 24 Kultur- und Naturstätten aus 29 Ländern in die Welterbeliste aufgenommen. Erstmals in der UNESCO-Liste vertreten sind Bahrain, Bosnien-Herzegowina und die Republik Moldau. Von den Neuaufnahmen zählen 17 zum kulturellen Erbe und sieben zum natürlichen Erbe. Insgesamt verzeichnet die "Liste des Kultur- und Naturerbes der Menschheit" jetzt 812 (bisher 788) Stätten in 137 (bisher 134) Ländern, darunter 160 Naturerbestätten und 24 gemischte Stätten, die sowohl dem Kultur- als auch dem Naturerbe angehören.

Deutschland ist jetzt mit 31 (bisher 30) Stätten auf der Liste des UNESCO-Welterbes repräsentiert. Aus Deutschland wurde der obergermanisch-rätische Limes neu in die Welterbeliste aufgenommen - als deutscher Teil des Grenzwalls des Römischen Imperiums. Zusammen mit dem Hadrianswall in Großbritannien (seit 1987 UNESCO-Kulturerbe) bildet er eine grenzüberschreitende Welterbestätte. Mit 550 Kilometern Länge ist er das längste Bodendenkmal Europas. Im seinem Verlauf in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz sind zahlreiche Überreste des römischen Grenzwalls erhalten. Die neue grenzüberschreitende Welterbestätte heißt jetzt Grenzen des Römischen Reiches.


DIE 17 NEUEN KULTURERBESTÄTTEN

Albanien: Die historische Stadt Gjirokastra im Süden von Albanien ist ein seltenes Beispiel einer gut erhaltenen Stadt aus der Zeit der Osmanen und bietet ein außergewöhnliches Zeugnis für die von der islamischen Kultur geprägten Gesellschaft. Das Zentrum bildet die alte Zitadelle aus dem 13. Jahrhundert.

Bahrain: Die archäologische Stätte Qal'at al-Bahrain, Fort Bahrain, ist die erste Welterbestätte des arabischen Inselstaates. Sie zeugt von der Bedeutung der Hafenstadt als antikes Handelszentrum und als Treffpunkt der Kulturen. Die Stadt aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. war einst Hauptstadt der Dilmun-Kultur.

Belarus (Weißrussland): Das architektonische und kulturelle Erbe der Adelsfamilie Radziwill in Nieswiez umfasst unter anderem das Residenzschloss und die Corpus Christi Kirche mit ihren Malereien. Die Radziwill-Dynastie (bis 1939) machte Nieswiez im 16. Jahrhundert zu einem kulturellen, wissen-schaftlichen und künstlerischen Zentrum und beeinflusste die Architektur in Mitteleuropa und Russland.

Mit der Aufnahme des Struve-Bogens verzeichnen gleich zehn Länder einen weiteren Eintrag in der Welterbeliste: Belarus, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, die Republik Moldau, Norwegen, Russland, Schweden und die Ukraine. Der Struve-Bogen ist eine Kette von geodätischen Messstationen von Hammerfest am Nordkap bis Ismail am Schwarzen Meer. In der Welterbeliste repräsentieren 34 der 265 Messstationen das gemeinsame Erbe der beteiligten Länder. Der Astronom Friedrich Georg Wilhelm Struve führte von 1816 bis 1855 die Meridianmessung durch und überbrückte eine Länge von 2820 Kilometern. Die Messung diente der exakten Bestimmung der Größe und Form unseres Planeten und war ein bedeutender Schritt für die Geowissenschaften. Der Struve-Bogen ist ein außergewöhnliches und frühes Beispiel für internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit.

Belgien: Das Plantin-Moretus Museum in Antwerpen illustriert Leben und Werk des Verlegers und Buchdruckers Christophe Plantin (1520-1589) und seines Nachfolgers Jan Moretus. Druckerei und Verlags-haus aus der Zeit der Renaissance und des Barock sind in ihrer Architektur erhalten. Das Museum bewahrt eine Sammlung alter Druckertechnik und ein Archiv mit Schriften bedeutender Geistesgrößen jener Zeit.

Bosnien-Herzegowina: Brücke und Altstadt von Mostar. Die "Stari Most" (Alte Brücke) gab der Stadt ihren Namen. Im 16. Jahrhundert von dem türkischen Baumeister Mimar Hajruddin erbaut, verband sie über 400 Jahre den kroatischen Teil westlich der Neretva und den bosnischen Ostteil. Am 9. November 1993, während des Bürgerkriegs in Ex-Jugoslawien, wurde das Wahrzeichen Mostars zerstört. Mit Unterstützung der UNESCO wiederaufgebaut, steht sie heute als Symbol der Versöhnung von Christen und Moslems.

Chile: Die Salpeterwerke Humberstone und Santa Laura sind Denkmäler der Industriegeschichte und des kulturellen und sozialen Wandels Chiles Ende des 19. Jahrhunderts. Sie illustrieren die Entwicklung des weltweit größten Produktionsstandorts der Salpeterindustrie. Tausende von Arbeitern aus ganz Südamerika kamen in die Fabrikstädte und prägten eine eigene kommunale Kultur und Sprache. Wegen der Folgen eines Erdbebens wurde die Stätte gleichzeitig auf die Liste des gefährdeten Erbes gesetzt.

China: Historisches Zentrum von Macao. Macao war der erste europäische Handelsposten in China und stand vom 16. Jahrhundert bis 1999 unter portugiesischer Verwaltung. In der historischen Stadtarchitektur spiegelt sich die Verschmelzung ästhetischer, kultureller und technologischer Einflüsse aus Ost und West.

Estland: Struve-Bogen (s.o. Belarus)

Finnland: Struve-Bogen (s.o. Belarus)

Frankreich: Le Havre in der Normandie wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und nach den Plänen des Architektenbüros Auguste Perret von 1945 bis 1964 wiederaufgebaut. Das heutige Stadtbild ist beispielhaft wegen seiner Integrität. Es kombiniert historische Stadtarchitektur mit moderner Stadtplanung und neuen Bautechniken.

Iran: Soltaniyeh war die Hauptstadt der mongolischen Ilkhanid-Dynastie (13. bis 14. Jahrhundert) in Persien. Das 1302 bis 1312 erbaute Mausoleum von Oljaytu ist ein Schlüsselwerk in der Entwicklung der islamischen Architektur in mongolischer Zeit. Der gewaltige Kuppelbau mit seiner prachtvollen Innendekoration gilt als Vorläufer des Tadsch Mahal.

Israel: Die biblischen Siedlungen Megiddo, Hazor und Beer Sheba stehen stellvertretend für mehr als 200 Siedlungen in Israel, die mit der Bibel in Verbindung gebracht werden. Die Ruinen von Palästen, Stadtbefestigungen und Wasserversorgungsanlagen geben Aufschluss über das städtische Leben in der Bronze- und Eisenzeit.

Israel: Weihrauchstraße und Wüstenstädte im Negev. Die Weihrauchstraße erstreckte sich über Hunderte von Kilometern durch die Negev-Wüste. Über sie wurden Weihrauch und Myrrhe von Südarabien in die antiken Häfen des Mittelmeers transportiert. Die vier nabatäischen Städte Haluza, Mamshit, Avdat und Shivta verdeutlichen die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedeutung des Gewürzhandels, der über 500 Jahre (3. Jahrhundert vor Christus bis 2. Jahrhundert nach Christus) florierte.

Italien: Syrakus und Felskammergräber von Pantalica. Syrakus, im 8. Jahrhundert v. Chr. von Korinth gegründet, war die bedeutendste griechische Kolonie in Sizilien. Die berühmtesten Bauwerke aus antiker Zeit sind der Apollotempel (5. Jh. v. Chr.), das griechische Theater und das römische Amphitheater. Zusammen mit Syrakus wurde die nahe gelegene Nekropolis von Pantalica in die Welterbeliste aufgenom-men. In der Totenstadt befinden sich über 5000 Felskammergräber aus dem 13. bis 7. Jahrhundert v. Chr.

Kuba: Die Kolonialstadt Cienfuegos wurde 1819 im spanischen Territorium gegründet und von französischen Einwanderern kolonisiert. Als Handelshafen für Zuckerrohr, Tabak und Kaffee gelangte die Stadt zu wirtschaftlichem Wohlstand und entwickelte sich im neoklassizistischen Stil. Das historische Zentrum ist ein bedeutendes Beispiel für die Umsetzung einer modernen Stadtplanung in Lateinamerika während des 19. Jahrhunderts.

Lettland: Struve-Bogen (s.o. Belarus)

Litauen: Struve-Bogen (s.o. Belarus)

Republik Moldau: Struve-Bogen (s.o. Belarus)

Nigeria: Der Heilige Hain der Göttin Oshun in Oshogbo gehört zu den schillerndsten Orten der afrikanischen Kunstszene. Das Volk der Yoruba ehrt den heiligen Hain als Wohnort der Fruchtbarkeitsgöttin Oshun. An den Ufern des Flusses Oshun baute die österreichische Bildhauerin Susanne Wenger, Yoruba-Priesterin und Gründerin der archaisch-modernen Kunstschule "New Sacred Art", ein gigantisches Architektur-Skulptur-Natur-Gesamtkunstwerk. Die Kunst der Yoruba steht heute stellvertretend für eine eigene, kreative afrikanische Moderne.

Norwegen: Struve-Bogen (s.o. Belarus)

Russland: Die Altstadt von Jaroslawl ist bekannt für ihre mehr als 20 Kirchen aus dem 17. Jahrhundert. Sie ist ein Beispiel für die städtebauliche Reform, die Kaiserin Katharina die Große 1763 für ganz Russland anordnete. Die Stadt wurde im neoklassizistischen Stil renoviert und sternenförmig angelegt.

Russland: Struve-Bogen (s.o. Belarus)

Schweden: Struve-Bogen (s.o. Belarus)

Turkmenistan: Kunja-Urgentsch (Alt-Urgentsch) war die Hauptstadt von Choresm, Teil des Achämeniden-Reiches. Die Baudenkmäler der Stadt aus dem 11. bis 16. Jahrhundert - Moschee, Karawanserei, Festungsanlagen, Mausoleen und Minarett - zeugen von ihrer Bedeutung als Handels- und Handwerkszentrum. Der Baustil beeinflusste die Architektur im Iran, in Afghanistan und des mongolischen Reichs im Indien des 16. Jahrhunderts.

Ukraine: Struve-Bogen (s.o. Belarus)


DIE SIEBEN NEUEN NATURERBESTÄTTEN

Ägypten: Das Wadi Al-Hitan ("Tal der Wale") gehört zu den weltweit bedeutendsten Fundstätten von Meeresfossilien, die bis zu 40 Millionen Jahre alt sind. Die versteinerten Skelette von Walen, Haifischzähne, Muscheln und Korallen stammen aus dem Eozän, als die Wüste noch vom Ozean bedeckt war. Die Stätte ist ein Museum für die Evolution der Wale und veranschaulicht deren Entwicklung von Landbewohnern zu Meereslebewesen.

Japan: Der Nationalpark Shiretoko an der nordöstlichen Spitze der Insel Hokkaido ist ein außergewöhnliches Beispiel für die Wechselbeziehung von Meeres- und Küstenökosystemen. Der Park ist ein bedeutendes Schutzgebiet für Meeressäugetiere wie Wale und Seelöwen sowie seltene Fischarten und vom Aussterben bedrohte Seevogelarten.

Mexiko: Die Inseln und Schutzgebiete des Golfes von Kalifornien sind ein "Naturlabor" für ökologische Forschung und Meereskunde und haben eine wichtige Bedeutung für die Erhaltung der Biodiversität. Mit 891 Fischarten und einem riesigen Walbestand zählt das marine Schutzgebiet zu den artenreichsten der Erde. Auch wegen seiner außergewöhnlichen Schönheit wurde es in die Welterbeliste aufgenommen.

Norwegen: Die westnorwegischen Fjorde - Geirangerfjord und N?er?yfjord - faszinieren durch ihre engen und steilen Felswände, die bis auf 1400 Meter hochragen und bis 500 Meter unter den Meeresspiegel reichen. Wasserfälle, Gletscherseen und Wälder entlang der schroffen Felswände formen die natürliche Schönheit der Fjordlandschaft.

Panama: Coiba-Nationalpark und seine marinen Schutzgebiete. Der im Golf von Chiriqu?, im Südwesten der Pazifikküste gelegene Nationalpark umfasst die Insel Coiba sowie 38 kleinere Inseln mit wertvollen Beständen feucht-tropischen Waldes. Die Inseln sind Lebensraum seltener Vögel und Pflanzen. Die umgebenden Schutzgebiete dienen der Erhaltung der marinen Artenvielfalt. Seltene Korallen und Schwämme, 760 Fischarten, 33 Haiarten und 20 Walarten leben hier.

Südafrika: Der Vredefort Dome, südwestlich von Johannesburg, ist der größte und älteste Meteoritenkrater der Welt. Die heute zu sehende halbringartige Struktur stellt den Zentralteil einer tief erodierten, komplexen Impaktstruktur dar, die vor rund zwei Milliarden Jahren entstand. Der Radius des Kraters beträgt 190 Kilometer. Vredefort ermöglicht einen einmaligen Einblick in die tieferen Schichten der Erdkruste und in die Evolutionsgeschichte unseres Planeten.

Thailand: Der Dong Phayayen - Khao Yai Waldkomplex umfasst Schutzgebiete mit einer außergewöhnlich reichen Tierwelt. Im Dschungel von Khao Yai, dem ältesten Nationalpark Thailands, leben bedrohte Arten wie Tiger, Leoparden, Gibbons und Nashornvögel. Als letztes substanziell erhaltenes Areal des tropischen Waldökosystems im thailändischen Monsunwald ist es von globaler Bedeutung.


ERWEITERUNGEN

Einige Welterbestätten wurden großflächig erweitert: Zum jetzt gemeinsamen grenzüberschreitenden Kulturerbe Belgiens und Frankreichs zählen außer den mittelalterlichen Glockentürmen in Flandern und Wallonien (seit 1999 Welterbe) nun auch der Belfried von Gembloux in Belgien und 23 Glockentürme aus den historischen Regionen Flandern, Artois, Hainaut und Picardie in Frankreich.

Großbritannien: Die Inselgruppe St. Kilda, seit 1986 Weltnaturerbe, wurde um die archäologische Kulturlandschaft erweitert, die von einer Besiedlung der Inselgruppe vor 2000 Jahren zeugt. Sie zählt nun auch zum Kulturerbe.

Indien: Die Naturerbestätte Nationalpark Nanda Devi wurde um den Nationalpark "Tal der Blumen" erweitert. Als Erweiterung des Kulturerbes der Himalaya-Gebirgsbahn nach Darjeeling (seit 1999) wurde die 46 Kilometer lange Eisenbahnstrecke der Nilgiri-Bergbahn im Bundesstaat Tamil Nadu in die Welterbeliste aufgenommen.

Spanien: Als Erweiterung des architektonischen Erbes Antoni Gaudis in Barcelona wurden weitere vier Werke des katalanischen Baukünstlers in die UNESCO-Liste aufgenommen.

Südafrika: Die südafrikanischen Fundstätten fossiler Hominiden (Sterkfontein, Swartkrans und Kromdraai, seit 1999 Kulturerbe) wurden um den Fundort des Taung-Schädels und das Makapan-Tal erweitert. Der Taung-Schädel wurde 1924 entdeckt und zählt zur Spezies des australopithecus africanus. Das Makapan-Tal weist Spuren menschlicher Entwicklung vor 3,3 Millionen Jahren auf.


DIE UNESCO-WELTERBEKONVENTION

Das Kultur- und Naturerbe der Menschheit zu schützen, liegt nicht allein in der Verantwortung eines einzelnen Staates, sondern ist Aufgabe der Völkergemeinschaft. Dies ist das Ziel der UNESCO-Welterbekonvention. Insgesamt haben 180 Staaten dieses "Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" seit seiner Verabschiedung 1972 unterzeichnet. Zum Kulturerbe der Welt gehören unter anderem Städteensembles, Baudenkmäler und archäologische Stätten. Das Naturerbe umfasst geologische Formationen, Naturlandschaften und Schutzreservate von Tieren und Pflanzen, die vom Aussterben bedroht sind.

Mit der Benennung von Kultur- und Naturstätten für die UNESCO-Liste verpflichten sich die betreffenden Staaten, diese durch gesetzliche, technische und andere Schutzmaßnahmen langfristig zu erhalten. Staaten, die über geringe Mittel verfügen, werden bei der Erhaltung ihres Welterbes von der Völkergemeinschaft unterstützt. Zu diesem Zweck hat die UNESCO einen Welterbefonds eingerichtet. Mit jährlich etwa zwei Millionen US-Dollar unterstützt die UNESCO dringende Rettungsmaßnahmen zur Erhaltung gefährdeter Welterbestätten.

Über die von den Unterzeichnerstaaten jährlich vorgelegten Neuanträge entscheidet das UNESCO-Welterbekomitee, das sich aus 21 jeweils für sechs Jahre gewählten Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Es prüft, ob die vorgeschlagenen Stätten die in der Konvention festgelegten Kriterien erfüllen. Hierzu zählen das Kriterium der "Einzigartigkeit" und der "Authentizität" (historische Echtheit) eines Kulturdenkmals oder der "Integrität" eines Naturdenkmals. Außerdem muss ein überzeugender Erhaltungsplan vorliegen. Der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) und die Internationale Vereinigung zur Erhaltung der Natur und ihrer Ressourcen (IUCN) beraten das Komitee in seiner Arbeit.

 UNESCO-Welterbezentrum
 Deutsche UNESCO-Kommission


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