Düsseldorf (epo). - Eine empirische Studie belegt ein ausbaufähiges Marktpotenzial für Weltläden in NRW. Durch professionelleres Arbeiten, bessere Standortwahl und geschicktere Präsentation der vielfältigen Waren seien Umsatzsteigerungen von über 100 Prozent möglich, heisst es in einer Machbarkeitsstudie einer Solinger Wirtschaftsberatung. Die Studie wurde jetzt Akteuren und Gruppenvertretern im Bereich Fairer Handel in NRW vorgestellt.
Fair gehandelten Kaffee kennt und schätzt man in vielen Cafés, Szene-Bars und Betriebskantinen. Viele Supermärkte führen ihn im Angebot. Das Prinzip: aromatische Bio-Qualität und ein sozialer Mehrpreis für die Kaffeebauern in Entwicklungsländern. Dass es aber auch hervorragende Weine, Schokoladenspezialitäten, Süßigkeiten, Gewürzmischungen, Kunsthandwerk, Textilien und sogar Fußbälle aus dem Fairen Handel gibt, ist weniger bekannt. Erhältlich sind diese Produkte in den sogenannten Weltläden, die es mittlerweile in jeder größeren Stadt gibt - 190 in NRW. Betrieben werden die Fachgeschäfte seit vielen Jahren zum größten Teil von engagierten ehrenamtlichen Helfern aus Kirchengemeinden oder Initiativgruppen.
Ein überraschend deutliches Umsatzwachstum von mehr als 15 Prozent im vergangenen Jahr und ein neu vorgelegtes Vermarktungskonzept ließ alle Beteiligten aufhorchen. Das Projekt für Fairen Handel im Eine Welt Netz NRW e.V. gab daraufhin Ende 2004 mit Unterstützung des Umweltministeriums NRW eine umfassende Machbarkeitsstudie in Auftrag. Die Studie wurde von der Wirtschafts- und Organisationsberatung Hartmann in Solingen durchgeführt, das Ergebnis in diesen Tagen Akteuren und Gruppenvertretern vorgestellt.
Hinter dem Titel "Evaluation des Gründungs- und Professionalisierungspotenzials von Weltläden in NRW" verbirgt sich sowohl eine offene und repräsentative Zustandsbeschreibung der beteiligten Läden, wie auch der Ruf nach frischem Wind in der schon etwas betagten Weltladenszene. So sind die Mitglieder der Aktionsgruppen und Geschäfte der Studie zufolge mehrheitlich älter als 50 Jahre und es mangelt an Nachwuchs. 97 Prozent aller Aktiven sind ehrenamtlich tätig, nur ein Prozent arbeitet als Inhaber oder hauptamtlich; zwei Prozent sind geringfügig beschäftigt. Die weitaus meisten Akteure sind laut der Studie Frauen - nur 17 Prozent sind männlichen Geschlechts.
Alle Läden seien ordentlich geführt und auch auf einen erzielbaren Gewinn ausgerichtet. Aber mit betriebswirtschaftlichen Kenngrößen wie Rohertrag und Betriebshandelsspanne könnten nur die wenigsten etwas anfangen. Mit durchschnittlich niedriger 22-prozentiger Handelsspanne könnten keine Arbeitsplätze geschaffen werden. Das größte Gewicht bei den Motiven und Werten der Akteure liege auf dem Weltladen als "entwicklungspolitisches Projekt". Man sehe zwar den Laden auch als Wirtschaftsbetrieb, aber der Wunsch, feste Arbeitsplätze zu schaffen, sei nur schwach ausgeprägt.
Die Autoren der Studie gehen hingegen davon aus, dass Hauptamtlichkeit auch in diesem Branchensegment zu einer besseren Handelsdynamik führe und bemängeln die fehlende Motivation zu Professionalisierung und Modernisierung vieler Akteure. Ein aktuelles Umsatzvolumen von insgesamt sieben Millionen Euro im Jahr entspräche gerade einmal dem Umsatz von zwei größeren Bio-Supermärkten. Dabei sei der Bekanntheits- und Akzeptanzgrad in der Bevölkerung recht hoch und man könne mit genügendem Innovations- und Aktionspotenzial seinen Umsatz binnen ein bis zwei Jahren leicht verdoppeln. Eine bessere Standortwahl, freundlichere Schaufensterflächen, eine klar strukturierte Produktpräsentation und ein farbenfrohes Ambiente könnten Wunder bewirken. So könne es ein Ziel sein, in den nächsten drei bis fünf Jahren 100 neue Arbeitsplätze zu schaffen.
In der Weltladenszene wurden die Ergebnisse der Studie nach Angaben des Eine Welt Netzes NRW unterschiedlich aufgenommen. Bemängelt wurde eine zu geringe Beachtung und Würdigung des ehrenamtlichen Engagements tausender aktiver Menschen in den Läden. Monika Dülge vom Projekt für Fairen Handel fasste die Ergebnisse der Diskussion zusammen: "Es geht darum, die Motivation der Weltläden zur eigenen Entwicklung zu stärken. Hierbei gibt es zwei Ansätze, die aber nicht konträr zueinander stehen, sondern sich gut ergänzen können". Wirtschaftlichkeit solle konsequent verfolgt werden, aber nicht rigoros um jeden Preis. Wichtig sei es dabei, die ehrenamtlich Aktiven bei allen Entwicklungsschritten mitzunehmen, zu unterstützen und neue Gruppen zu begeistern und einzubeziehen.
Der Wortlaut der Studie ist als pdf-Datei auf der Website des Eine Welt Netzes NRW abrufbar.