Berlin. - Die Vereinten Nationen haben die Lage im Jemen zum höchstmöglichen humanitären Notfall erklärt. Oxfam wirft reichen Ländern wie Deutschland eine Mitverantwortung an dieser Situation vor: Sie heizten den Konflikt durch Rüstungsexporte an die kriegführenden Parteien an, während sie gleichzeitig viel zu wenig Geld für die humanitäre Nothilfe ausgäben.
So sind Oxfam zufolge bislang lediglich 38 Prozent der 1,6 Milliarden US-Dollar zusammengekommen, die laut UNO für die am stärksten gefährdeten 11,7 Millionen Menschen im Jemen an Nothilfe nötig sind. Nach Oxfam-Berechnungen hat Deutschland bislang nur umgerechnet 44,4 Millionen US Dollar eingezahlt. Das entspreche 55 Prozent des Anteils, der seiner Wirtschaftskraft angemessen wäre. Andere Geberstaaten wie die USA (44 Prozent ihres gerechten Anteils) hätten sogar noch weniger Mittel zur Verfügung gestellt.
"Dies steht im krassen Widerspruch zu den lukrativen Rüstungsgeschäften, die diese Länder mit den kriegführenden Parteien abgeschlossen haben", urteilt die Entwicklungsorganisation. Deutsche Rüstungsunternehmen hätten seit 1999 allein an das Königreich Saudi-Arabien Panzerfahrzeuge, Gewehre, Munition und andere Rüstungsgüter im Gesamtwert von rund 2,8 Milliarden Euro geliefert. Auch nach Beginn der saudisch geführten Militärintervention im Jemen Ende März habe die Bundesregierung noch Rüstungsexporte an Saudi-Arabien genehmigt, allein im April im Wert von 12,9 Millionen Euro.
Robert Lindner, Referent für humanitäre Krisen bei Oxfam Deutschland, erklärte: "Die internationale Reaktion auf die Krise ist beschämend. Auch reiche Länder wie Deutschland tragen eine Mitverantwortung für das Leid der Zivilbevölkerung. Regierungsvertreter sollten diese Woche bei der UN-Generalversammlung in New York ein sofortiges Waffen-Embargo gegen alle Kriegsparteien im Jemen beschließen. Ebenso müssen sie die Aufhebung der von der saudisch geführten Militärkoalition verhängten Versorgungsblockade einfordern und endlich die internationale Nothilfe ausreichend finanzieren."
Lindner verweist darauf, dass manche Staaten ihrer Verantwortung durchaus nachkommen. So hätten Schweden und Dänemark bereits etwa 255 beziehungsweise 182 Prozent ihres gerechten Anteils am UN-Nothilfe-Aufruf bereitgestellt.
Bereits im Juli hatte Oxfam in einem Hintergrundpapier auf die dramatische Situation der Zivilbevölkerung im Jemen hingewiesen. Demnach hungern 13 Millionen Menschen – die Hälfte der Bevölkerung. Wenn sich die Versorgungslage nicht entscheidend verbessere, drohe jeder Zweite von ihnen zu verhungern. Im August konnten aufgrund der Blockade lediglich 12 Prozent des benötigten Treibstoffs und 44 Prozent der benötigten Weizenmenge eingeführt werden.
"Vertriebene Familien im Jemen müssen ihre Kleidung benutzen, um Zelte zu errichten, Kinder suchen in Höhlen Zuflucht vor den Kämpfen", sagte Sajjad Mohammad Sajid, Oxfam-Landesdirektor im Jemen. "Die Staatengemeinschaft vermittelt den Jemenitinnen und Jemeniten derzeit den Eindruck, dass für sie Waffenlieferungen und Krieg Vorrang haben vor dem Leben der Millionen Not leidenden Menschen."
Quelle: www.oxfam.de