Washington/Berlin (epo). - Der Präsident der Weltbank, der frühere stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz, hat die bislang eigenständige Abteilung für Ökologisch und Sozial Nachhaltige Entwicklung (ESSD) aufgelöst. Die für ihre Umweltstandards bei Großprojekten bekannte Weltbank-Einheit soll mit der Infrastrukturabteilung zusammen gelegt werden. Während Wolfowitz die Umstrukturierung als "Stärkung" des Umweltschutzes im Rahmen der Weltbank-Politik ausgibt, protestieren Umweltschützer: "Damit macht man den Bock zum Gärtner," urteilte Knud Vöcking, Weltbank-Experte der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald.
In einer internen E-Mail an alle Mitarbeiter hatte Weltbank-Chef Wolfowitz am Montag über weitgehende Umstrukturierungen in der Bank informiert. Unter anderem wird demnach die Umweltabteilung (Environmentally and Socially Sustainable Development - ESSD) als eigenständiger Bereich unter einem Vizepräsidenten aufgelöst. Sie soll mit der Infrastrukturabteilung zusammen gelegt werden und künftig under dem Etikett "Nachhaltige Entwicklung" firmieren.
Zweck der Zusammenlegung sei es, Synergieeffekte zu erzielen, das Kerngeschäft besser zu integrieren und im Rahmen einer Steigerung der Investitionen in die Infrastruktur "den Fokus auf Nachhaltigkeit zu stärken", schrieb Wolfowitz.
Die verheerenden Umwelt-Auswirkungen von Infrastruktur-Großprojekten wie dem Bau des Sardar Sarovar Staudammes in Indien oder dem Polonoreste Erschließungsprojekt in Brasilien und damit verbundene heftige soziale Konflikte hatten zur Gründung der Umweltabteilung der Weltbank geführt. Die Weltbank demonstrierte so ihre Verpflichtung zu einer nachhaltige Entwicklung.
"Es ist immer bezeichnend für Machtverhältnisse, wer den Koffer packt und wer nicht", kommentierte Vöcking die Umstrukturierung. "Die bisherige Infrastruktur-Vizepräsidentin Katherine Sierra behält die Leitung. Zusätzlich wird das gesamte Personal des Umweltbereichs in eine andere Abteilung (Operational Policies and Country Services) versetzt. Da fällt es schwer, den Beteuerungen von Wolfowitz zu glauben, dass er die Rolle des Umweltteams stärken will."
In seiner Mail an die Mitarbeiter schrieb Wolfowitz, er sei sich bewußt, dass es Bedenken geben werde, der Umweltschutz könne in der neuen Abteilung dem Ausbau der Infrastruktur in Entwicklungsländern untergeordnet werden. Er kündigte an, einen "Weltklasse-Umweltexperten" zu engagieren, der das Umwelt-Team der Weltbank verstärken solle.
Die Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank waren jahrelang ebenso anerkannt wie umstritten. Umweltbewußte Manager von Entwicklungsagenturen, öffentlichen und privaten Banken sowie der Industrie konnten sich jedoch darauf berufen. "Bei Nichtregierungsorganisation (NRO) verfestigen sich mit Wolfowitz' Entscheidung die Befürchtungen, dass in der Bank der Schutz von Ökosystemen und Lebensräumen indigener Völker keine Rolle mehr spielt", erklärte Knud Vöcking von urgewald, einer kleinen NGO, die die Weltbank-Politik seit Jahren kritisch begleitet.
Ein Indikator für die sich verschlechterne Umweltpolitik in der Weltbank ist für die NRO die rasch wachsende Zahl von Beschwerden beim Inspection Panel der Weltbank. "Die Infrastrukturabteilung ist mit ihren Projekten Dauergast vor dem Panel", sagte Knud Vöcking. "Die Weltbank will in der nächsten Zeit wesentlich mehr in Infrastruktur investieren. Sie wird mit ihren Projekten erhebliche Eingriffe in die Natur und Zwangsumsiedlungen verursachen. Da ist es natürlich sehr bequem, wenn sich die planende Abteilung auch gleich die Umwelt- und Sozialrichtlinien schreiben kann."
Widerstand gegen die Entscheidung von Wolfowitz, der nach Insiderberichten eine Schar getreuer Anhänger in das Management der Weltbank geholt hat, gab es offenbar auch in Teilen der Weltbank-Belegschaft und im Verwaltungsrat. Einige Exekutivdirektoren, darunter der britische und der deutsche, hätten sich ablehnend geäußert, berichtete urgewald. Deutscher Exekutivdirektor ist der frühere DSE-Manager Eckehard Deutscher, während Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) einen der Gouverneursposten innehat.