oxfamBerlin (epo.de). - Die Pharmaindustrie entwickelt kaum Medikamente für Krankheiten, die hauptsächlich in Entwicklungsländern vorkommen, weil sie den dortigen Markt nicht für lukrativ genug hält. Und bereits vorhandene Arzneien sind häufig unerschwinglich für arme Menschen. Diese Aussagen enthält der neue Oxfam-Bericht "Investing for Life", der am Dienstag erschienen ist. Millionen kranken Menschen könnte geholfen werden, wenn die Pharma-Konzerne ihr Geschäftsmodell ändern und den universellen Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten ins Zentrum ihrer Geschäftspolitiken stellen würden, erklärte Oxfam. Dadurch könnten die Unternehmen zudem das Potenzial der neuen Märkte besser ausschöpfen.

Laut einer großen Unternehmensberatung, so Oxfam, habe die Pharmaindustrie aufgrund des Vertrauensverlustes der Investoren bereits eine Billion US-Dollar an Unternehmenswert verloren. "Mehr als 85 Prozent der Menschen weltweit haben keinen oder keinen ausreichenden Zugang zu Medikamenten. Die Industrie sollte endlich erkennen, dass sie sich selbst große Chancen verbaut, wenn sie diesen neuen Markt nicht beachtet", forderte Corinna Heineke, Koordinatorin der Medikamenten-Kampagne von Oxfam Deutschland.

Noch immer konsumierten heute die reichsten 15 Prozent der Welt über 90 Prozent aller Medikamente, während in Armut lebende Menschen in Entwicklungsländern keinen Zugang zu bezahlbaren Medikamenten hätten, berichtete Oxfam. Es sei keine effiziente Geschäftstrategie, nur Arzneien für zahlungskräftige Patienten zu entwickeln und strikte Patentgesetze durchzusetzen. "Auf diesem Kurs werden sowohl die Industrie als auch Millionen von Patienten die Verlierer sein", so Heineke.

Investoren sind laut der Oxfam-Studie besorgt über das Verhalten der Pharmaindustrie. Die unzureichende medizinische Versorgung in den armen Ländern wirke sich negativ auf die Menschen und Volkswirtschaften und damit auf die zukünftige Entwicklung der Pharmabranche aus. "Wir brauchen dringend bezahlbare Medikamente gegen verheerende Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose, Asthma, Krebs oder HIV/Aids", mahnte Heineke.

Laut Oxfams Bericht investieren die Pharmaunternehmen nicht ausreichend in Forschung und Entwicklung für Medikamente, die vor allem Entwicklungsländer benötigen. Zwischen 1999 und 2004 seien nur drei innovative Arzneien auf den Markt gekommen, die Krankheiten in Entwicklungsländern behandeln - von insgesamt 163 neu vermarkteten Medikamenten. "Zum Beispiel ist das neueste Medikament gegen Tuberkulose 30 Jahre alt. Dabei sterben jedes Jahr zwei Millionen Menschen an TBC. Das darf nicht so weiter gehen", sagte Heineke.

Neben dem Mangel an neuen Medikamenten sind für Oxfam auch die von den Pharmaunternehmen geforderten Preise zu hoch. Zwar bieten dem Oxfam-Bericht zufolge einige Unternehmen gestufte Preise an, dies aber nur in sehr begrenztem Umfang und nur für viel diskutierte Krankheiten wie HIV/Aids und Malaria. Die Preisstufen hätten zudem meist nicht weltweit Gültigkeit und seien für arme Menschen in Entwicklungsländern oft noch zu teuer.

"Häufig senken die Unternehmen die Preise bestimmter Medikamente erst unter dem Druck öffentlicher Proteste", berichtete Heineke. So habe der Pharmakonzern Abbott sein AIDS-Medikament Kaletra in Ländern geringen bis mittleren Einkommens wie Guatemala für 2.200 US-Dollar pro Patient und Jahr angeboten. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in dem zentralamerikanischen Land liege bei nur 2.400 US-Dollar jährlich. Erst nachdem Thailand eine Zwangslizenz erteilt habe, um den Preis für Kaletra auf 1.000 US-Dollar zu senken, reduzierte Abbott laut Oxfam die Kosten weltweit auf 1.000 US-Dollar pro Patient und Jahr.

Ein weiteres Beispiel ist Oxfam zufolge die Preispolitik, die der französische Pharmariese Sanofi-Aventis bei seinem Herz-Kreislauf-Medikament Plavix verfolgte: Es sei zu einem 60-mal höheren Preis verkauft worden als die generische Version des indischen Herstellers Emcure. Im März 2007 habe das Unternehmen auf eine thailändische Zwangslizenz reagiert, indem es den Preis um 70 Prozent reduzierte.

In den letzten Jahren seien einige Pharmaunternehmen vor Gericht gezogen oder hätten direkten Druck auf Thailand, Brasilien oder Indien ausgeübt, um ihre Medikamenten-Patente zu schützen, so der Oxfam-Bericht. "Das Beharren der Pharmaindustrie auf geistigen Eigentumsrechten und Patenten gefährdet in Entwicklungsländern die öffentliche Gesundheit. Die Unternehmen sollten günstigere Medikamente bereit stellen oder die Produktion preiswerter Generika für arme Menschen akzeptieren", forderte Heineke.

Die Oxfam-Studie "Investing for Life" untersucht die Geschäftspolitik der zwölf größten internationalen Pharma-Konzerne hinsichtlich Preisgestaltung, Forschung und Entwicklung von Medikamenten, die insbesondere armen Ländern zugute kommen, und in Hinsicht auf geistige Eigentumsrechte.

www.oxfam.de


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