unicefBerlin (epo). - Nach neuesten Schätzungen der Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) leben weltweit mehr als eine Milliarde Mädchen und Jungen in Armut. UNICEF weist in seinem Jahresbericht "Zur Situation der Kinder in der Welt 2005" darauf hin, dass nahezu jedem zweiten Kind grundlegende Dinge zum Überleben und zu seiner Entwicklung fehlen: sauberes Trinkwasser, ausreichende Nahrung, medizinische Hilfe, Schulunterricht oder ein Dach über dem Kopf. In zahlreichen Ländern verschärfen Staatszerfall, Bürgerkriege und AIDS die Armut noch und zerstören wichtige Errungenschaften für Kinder.

So waren UNICEF zufolge 16 der 20 ärmsten Länder der Welt in den vergangenen Jahren Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen. Armut, Chaos und Gewalt begünstigen wiederum die Verbreitung von AIDS. Die Epidemie ist eine Tragödie für die Kinder und eine der größten Herausforderungen für die soziale Entwicklung: Allein im südlichen Afrika stieg zwischen 1990 und 2003 die Zahl der AIDS-Waisen von einer auf über 12 Millionen. In den Ländern südlich der Sahara leben heute Millionen Kinder in Haushalten mit HIV-positiven oder kranken Eltern. Bis zum Jahr 2010 werden dort durch AIDS schätzungsweise 18 Millionen Kinder zu Waisen geworden sein.

UNICEF rief die Regierungen auf, Kinder in den Mittelpunkt des Kampfes gegen Armut und Unterentwicklung zu stellen. So würde die Umsetzung der so genannten Milleniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen die Lage der Kinder bereits entscheidend verbessern. Schätzungsweise 40 bis 70 Milliarden US-Dollar jährlich wären nötig, um die Kinder- und Müttersterblichkeit drastisch zu reduzieren, allen Kindern einen Schulabschluss zu ermöglichen, die Wasserversorgung zu verbessern und die Ausbreitung von AIDS einzudämmen. Zum Vergleich: Die weltweiten Rüstungsausgaben betrugen im vergangenen Jahr 956 Milliarden US-Dollar.

Um die Auswirkungen von Armut auf Kinder besser als bisher beschreiben zu können, wendet UNICEF die erweiterte Armutsdefinition der London School of Economics an. Diese bezieht neben dem Einkommen auch den Mangel an Nahrung, sauberem Wasser, Gesundheitsfürsorge, Unterkunft, Schulunterricht und Informationen ein. Hinzu kommen emotionale Faktoren wie fehlende Zuwendung und Förderung. Danach leiden über eine Milliarde Kinder in den Entwicklungsländern an mindestens einer Form "massiven Mangels":

- Schätzungsweise 90 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind stark mangelernährt.

- 270 Millionen Kinder haben nicht einmal die einfachste Gesundheitsversorgung.

- Rund 400 Millionen Kinder haben kein sauberes Wasser, mehr als 500 Millionen Kinder keine sanitären Einrichtungen.

- Mehr als 640 Millionen Kinder haben kein richtiges Dach über dem Kopf.

- Mehr als 121 Millionen Kinder im Grundschulalter gehen nicht zur Schule.

- 300 Millionen Kinder haben keinen Zugang zu Radio, Fernsehen oder Zeitungen.

Die sozialen Unterschiede sind UNICEF zufolge in den vergangenen Jahren nicht nur zwischen der Nord- und der Südhalbkugel der Erde, sondern auch innerhalb der Staaten gewachsen. Große Teile der Bevölkerung Chinas und Indiens profitieren bisher kaum vom Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre. Und in den Staaten Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion wächst heute jedes dritte Kind in Armut auf.

Kinder in wohlhabenden Staaten leiden nicht unter den gleichen Entbehrungen wie ihre Altersgenossen in den Entwicklungsländern. Trotzdem leben auch hier immer mehr Kinder in relativer Armut. In elf von 15 OECD-Staaten ist der Anteil der Kinder, deren Familien mit weniger als der Hälfte des Durchschnittseinkommens auskommen müssen, im vergangenen Jahrzehnt deutlich gewachsen. Allein in Deutschland stieg zwischen 1990 und 2000 der Anteil relativ armer Kinder von 4,1 auf neun Prozent. Heute leben in Deutschland über eine Million Jungen und Mädchen von Sozialhilfe. Kinder aus armen Familien sind öfter krank, haben häufiger Schulprobleme und schlechtere Chancen auf eine gute Ausbildung.

In seinem Jahresbericht weist UNICEF auf die dramatischen Folgen der globalen AIDS-Epidemie für Kinder hin. Nach der Explosion der Infektionsraten in den 80er und 90er Jahren kommt nun die Krankheit bei vielen Erwachsenen zum Ausbruch. Deren Kinder müssen oftmals die Schule abbrechen, um ihre Eltern zu pflegen und die Geschwister zu versorgen. Trotzdem können sie nicht verhindern, dass die Familien verarmen. Auch wenn sie nach dem Tod der Eltern bei Verwandten unterkommen, müssen sie oft arbeiten statt zur Schule zu gehen. Damit sinken ihre Chancen auf einen qualifizierten Beruf. Und sie lernen nicht, wie sie sich selbst vor AIDS schützen können. Waisen werden häufig in der Landwirtschaft, als Straßenverkäufer, als Dienstmädchen oder in der Prostitution ausgebeutet. In Sambia beispielsweise sind 47 Prozent der minderjährigen Prostituierten Waisen. Rund 38 Prozent der Kinderarbeiter in den Minen in Tansania haben keine Eltern mehr. Drei Viertel der Dienstmädchen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba sind Waisen.

UNICEF rief die Regierungen dazu auf, mehr Mittel zur Bekämpfung der Kinderarmut insbesondere in den Entwicklungsländern bereit zu stellen:

- Alle Jungen und Mädchen müssen die Grundschule besuchen und auch abschließen. Ein wirkungsvoller erster Schritt wäre die weltweite Abschaffung von Schulgebühren. Mädchen müssen die gleichen Bildungschancen haben wie Jungen.

- Alle Kinder und Frauen brauchen Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung, um die Kinder- und Müttersterblichkeit zu reduzieren. Die Versorgung armer Familien mit sauberem Wasser und sanitären Anlagen muss verbessert werden.

- Aufklärungskampagnen müssen die weitere Ausbreitung von AIDS stoppen. AIDS-Waisen brauchen Unterstützung. Kinder und Eltern in Entwicklungsländern müssen Zugang zu AIDS-Medikamenten sowie Medikamenten zur Behandlung von Malaria und Tuberkulose bekommen.

UNICEF


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