Washington/Berlin (epo.de). - Nach der Befreiung des US-Kapitäns Richard Phillips am Ostersonntag hat Präsident Barack Obama den somalischen Piraten den Kampf angesagt. Bei den drei von US-Scharfschützen erschossenen Piraten handelte es sich nach den Worten von US-Verteidigungsminister Robert Gates um “nicht ausgebildete” Jugendliche “mit schweren Waffen”. Während Marine und Mainstream-Medien über die Piraten herfallen, erinnert der Showdown vor der Küste Somalias manchen Blogger an die Freibeuterei europäischer Fischfangflotten - und an einen Disput zwischen Alexander dem Großen und einem gefangengenommenen Seeräuber, den Cicero und Augustinus überliefert haben.

Bei der Kommandoaktion der US-Marine vor der Küste Somalias wurden am Sonntag drei Seeräuber getötet und einer gefangengenommen. Die somalischen Piraten sollen Medienberichten zufolge derzeit rund ein Dutzend Schiffe gekapert haben. Mehr als 200 Besatzungsmitglieder seien in ihrer Gewalt, darunter Seeleute aus Deutschland, Italien, Bulgarien, Russland, der Ukraine, China und Taiwan, Indonesien und den Philippinen, so die Nachrichtenagentur Associated Press.

Der Schweizer “Tagesspiegel” berichtete, bei den erschossenen Piraten habe es sich um “noch nicht einmal 20 Jahre alte Männer” gehandelt, die freilich “bis an die Zähne bewaffnet” gewesen seien. Der vierte Freibeuter, der festgenommen wurde, sei ungefähr 16 Jahre alt. Das Blatt zitierte US-Verteidigungsminister Robert Gates, der bei einer Ansprache am Montag in einer Marine-Akademie im Bundesstaat Virginia gesagt habe, es seien “nicht ausgebildete” Jugendliche “mit schweren Waffen” gewesen. Gates habe aber eine rein militärische Lösung ausgeschlossen und darauf verwiesen, in Somalia gebe es eine “unglaublich grosse Zahl armer Leute”.

Während Obama den geretteten Kapitän zum Helden erklärte und ein “Vorbild für alle Amerikaner” nannte, kündigten die Piraten angeblich Vergeltung an. Die Nachrichtenagentur AP berichtete, ein Pirat an Bord eines griechischen Schiffes namens Abdullahi Lami habe telefonisch mitgeteilt, jedes Land werde “in der Weise behandelt, wie es uns behandelt”. “Künftig wird Amerika das Land sein, das trauert und weint.”

FREIBEUTER DER MEERE

Wer hätte gedacht, dass Weltmächte im Jahr 2009 Piraten den Krieg erklären würden, fragt Johann Hari im US-Blog “Huffington Post”. Der Kolumnist des britischen “Independent” verweist auf die Geschichte der Piraterie und zwei aktuellere Entwicklungen nach dem Zusammenbruch des somalischen Staatswesens im Jahr 1991:

Während viele der neun Millionen Einwohner Somalias in der Folgezeit nicht wussten, wie sie sich ernähren sollten, nutzten europäische Fischereiflotten die Gunst der Stunde - und die unbewachten Küstengewässer Somalias. Hari schreibt:
“More than $300m worth of tuna, shrimp, lobster and other sea-life is being stolen every year by vast trawlers illegally sailing into Somalia's unprotected seas. The local fishermen have suddenly lost their livelihoods, and they are starving.”
Mit Schhnellbooten versuchten lokale Fischer zunächst, die fremden Fischereiflotten abzudrängen und später, als “freiwillige Küstenwache”, zumindest eine Art “Steuer” auf den Fang einzutreiben, so Hari. Er zitiert einen der somalischen Piraten, Sugule Ali, der ihm ein Telefoninterview gab, mit den Worten:
“We don't consider ourselves sea bandits. We consider sea bandits [to be] those who illegally fish and dump in our seas and dump waste in our seas and carry weapons in our seas.”
Europäische Schiffe hatten nach den Erkenntnissen Haris und anderer Autoren nach 1991 auch Giftmüll und nukleare Abfälle in den somalischen Küstengewässern versenkt. Mehr als 300 Menschen sollen daran gestorben sein. Ahmedou Ould-Abdallah, UN-Gesandter für Somalia, sprach von Atommüll und Blei- und Kadmium-haltigen Schwermetall-Abfällen. Der giftige Müll konnte in einigen Fällen zu europäischen Kliniken und Fabriken zurückverfolgt werden, die Unternehmen der italienischen Mafia beauftragt hatten, die Abfälle billig zu entsorgen.

Piraten beim Teilen der Beute

Hari fragte den UN-Gesandten, was die europäischen Regierungen dagegen unternommen hätten: “Nothing. There has been no clean-up, no compensation, and no prevention.”

ALEXANDER, CICERO UND AUGUSTINUS

“Ohne Gerechtigkeit sind die Staaten nur große Räuberbanden”, schrieb Augustinus (354-430) in seinem 4. Buch “über den Gottesstaat”:
“Was sind überhaupt Reiche, wenn die Gerechtigkeit fehlt, anderes als große Räuberbanden? Sind doch auch Räuberbanden nichts anderes als kleine Reiche. Sie sind eine Schar von Menschen, werden geleitet durch das Regiment eines Anführers, zusammengehalten durch Gesellschaftsvertrag und teilen ihre Beute nach Maßgabe ihrer Übereinkunft. Wenn eine solche schlimme Gesellschaft durch den Beitritt verworfener Menschen so ins große wächst, daß sie Gebiete besetzt, Niederlassungen gründet, Staaten erobert und Völker unterwirft, so kann sie mit Fug und Recht den Namen „Reich“ annehmen, den ihr nunmehr die Öffentlichkeit beilegt, nicht als wäre die Habgier erloschen, sondern weil Straflosigkeit dafür eingetreten ist."
Genüsslich zitiert Augustinus einen Seeräuber im Disput mit Alexander dem Großen, überliefert von Cicero (de re publica 3, 14.): 
“Hübsch und wahr ist der Ausspruch den ein ertappter Seeräuber Alexander dem Großen gegenüber getan hat. Auf die Frage des Königs, was ihm denn einfalle, daß er das Meer unsicher mache, erwiderte er mit freimütigem Trotz: ‘Und was fällt dir ein, daß du den Erdkreis unsicher machst? aber freilich, weil ich es mit einem armseligen Fahrzeug tue, nennt man mich einen Räuber, und dich nennt man Gebieter, weil du es mit einer großen Flotte tust.”

Illustrationen: (1) "Buccaneer of the Caribbean", (2) Pirates dividing the loot, from Howard Pyle's Book of Pirates (WPD).

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