Berlin (epo.de). - In der deutschen EZ fehlt es an einem einheitlichen Evaluationssystem, das einen plausiblen Vergleich von Programmen und Projekten und damit fundierte Aussagen über die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe zulassen würde. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (
HWWI) und des Centrums für Evaluation an der Universität des Saarlandes (
CEval). "Die Heterogenität der Evaluierungssysteme spiegelt die starke Zersplitterung der deutschen EZ wider", sagte Reinhard Stockmann, einer der Autoren, bei der Vorstellung der Studie in Berlin.
Selbst die staatlichen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit hätten kein einheitliches System, sondern nutzten unterschiedliche Methoden und Verfahren, kritisieren Reinhard Stockmann vom CEval und Axel Borrmann vom HWWI. Zudem seien die Abteilungen in den Organisationen, die für die Evaluation zuständig sind, unterschiedlich institutionalisiert und besser oder schlechter mit Kompetenzen und Finanzen ausgestattet.
"Eine gemeinsames Instrumentarium zur Evaluierung ist aber dringend nötig", sagte Borrmann. In der Öffentlichkeit werde verstärkt nach "Sinn und Unsinn" von Entwicklungszusammenarbeit gefragt. Evaluation werde als Steuerungsinstrument zur Verbesserung der Qualität der EZ deshalb zusehends wichtiger.
Stockmann fordert, das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) müsse als Geldgeber "verstärkt auf ein einheitliches System drängen und auch steuern". "Wenn wir ein solches aufeinander abgestimmtes harmonisiertes System hätten, dann könnte Evaluation effektiver und effizienter betrieben werden und die Ressourcen könnten gebündelt werden, so dass man sogar mit gleich bleibenden Mitteln viel bessere Evaluationen auch und gerade im Bereich der Wirksamkeit durchführen könnte."
AUFTRÄGE ÖFFENTLICH AUSSCHREIBEN
Darüber hinaus heißt es in der Studie, die Aufträge für eine Evaluierung von Programmen und Projekten sollten öffentlich ausgeschrieben werden. Nur so könne man die Unabhängigkeit der Gutachter systematisch überprüfbar machen. "Die Berichtsverantwortung sollte uneingeschränkt an den unabhängigen Gutachter übertragen werden", fordern die Autoren. "Damit könnten Gefälligkeitsgutachten vermieden werden." Auch eine ungekürzte Veröffentlichung der Evaluierung empfehlen HWWI und CEval. Lediglich das BMZ pflege im Moment diese Praxis.
Die Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entstand, begründet die Notwendigkeit eines einheitlichen Evaluationssystems auch mit dem Umbruch in der EZ seit der Jahrtausendwende: Die
Millenniums-Ziele der Vereinten Nationen, der
Monterry-Konsensus, die
Marrakech-Deklaration und die
Pariser Erklärung hätten die Agenda verändert, der Erfolgsdruck bei der Armutsbekämpfung sei größer geworden. All dies verlange nach einer noch konsequentere Steuerung der EZ und nach dem Nachweis von Resultaten.
Ohne Anpassung der bestehenden Evaluationssysteme könnten die Entwicklugshilfe-Geber diesen Aufgaben nicht gerecht werden, argumentieren Reinhard Stockmann und Axel Borrmann. Erforderlich seien "komplexere Evaluationsdesigns und -methoden, um Wirkungen – auch auf höheren Aggregationsniveaus – erfassen zu können, stärkere nationale und internationale Vernetzung der evaluationsverantwortlichen Institutionen sowie verstärkte Integration und Verantwortlichkeit (Ownership) der Partner für die Evaluationsplanung und -durchführung".
DOPPELTER HANDLUNGSBEDARF
Obwohl die Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland das Politikfeld mit der längsten Evaluationstradition ist, besteht aus der Sicht der Autoren für die EZ ein doppelter Handlungsbedarf. Noch immer gültige Teile der Reformagenda aus der letzten Systemprüfung müssten abgearbeitet werden. Und die EZ müsse sich auf die inzwischen veränderten internationalen Rahmenbedingungen einstellen und weitere Reformschritte unternehmen.
Einen "Reformstau" im BMZ kritisierten auch immer wieder Oppositionsparteien im Bundestag, insbesondere die FDP. So ist die
geplante Fusion der KfW-Entwicklungsbank und der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) seit Juli 2006 keinen Schritt weiter gekommen.
BMZ-Staatssekretär Erich Stather räumte in Berlin denn auch ein, wenn die EZ nicht nachweisen könne, dass sie wirkt, verliere sie an Glaubwürdigkeit. Das BMZ sei deshalb auch offen für die Forderung von Fachleuten, die Evaluierung nach außen zu verlagern. "Das bringt auch größere Unabhängigkeit", sagte Stather.
Die zwei Bände umfassende Studie untersucht mit erheblichem methodischen Aufwand, wie die einzelnen EZ-Organisationen evaluieren, was sie über die Wirkungen der von ihnen geförderten Projekte und Programme wissen und ob und wie sich die Evaluationssysteme der einzelnen Organisationen zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen ließen. Eine vergleichbare Studie liege bisher weder über ein anderes Politikfeld in Deutschland noch über die Evaluation in der Entwicklungszusammenarbeit in einem anderen Land Europas vor, heißt es in einer Verlagsinformation.
DIE AUTOREN
Axel Borrmann arbeitet als Senior Economist im Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) (
www.hwwi.org). Schwerpunkte seiner Forschungsarbeit sind internationale Handels- und Entwicklungspolitik sowie Entwicklungszusammenarbeit. Er ist als Gutachter für zahlreiche nationale und internationale Organisationen tätig.
Dr. Reinhard Stockmann, Professor für Soziologie, Leiter des Centrums für Evaluation (CEval) an der Universität des Saarlandes (
www.ceval.de), ist geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift für Evaluation (
www.zfev.de) und Leiter des Studiengangs "Master of Evaluation" (
www.master-evaluation.de).
DIE STUDIE
Axel Borrmann, Reinhard Stockmann (Hrsg.)Evaluation in der deutschen EntwicklungszusammenarbeitBand 1: Systemanalyse
Band 2: Fallstudien
Reihe "Sozialwissenschaftliche Evaluationsforschung", Bd. 8
Waxmann Verlag, Münster/New York/München/Berlin, Mai 2009
898 Seiten, geb., 68,00 EUR
ISBN 978-3-8309-2125-7
www.waxmann.com