suedsudan_150Berlin. - Das am Sonntag begonnene siebentägige Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudans hat bisher einen sehr positiven Verlauf genommen. Diese Einschätzung übermittelte Josef Sayer, Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, am Sonntag aus Juba. Sayer begleitet die Volksabstimmung in der südsudanesischen Stadt zurzeit im Auftrag der "All African Conference of Churches" als Wahlbeobachter.

"Ich bin sehr beeindruckt, wie zivilisiert und diszipliniert diese Volksabstimmung abläuft und wie zukunftsorientiert die Menschen hier die Sache in die Hand nehmen. Das Referendum findet bisher in freier Atmosphäre statt", sagte Sayer. Er besuchte am Sonntag zahlreiche Wahllokale und traf dort unter anderem einen Mann auf Krücken, der im sudanesischen Bürgerkrieg einen Fuß verloren hatte. "Dieser Mann äußerte sich voller Zuversicht und Hoffnung, dass die Gewalt in seinem Land nun ein Ende hat", berichtete der Misereor-Chef. Sayer hatte den Sudan bereits 1999 besucht. "Ich erlebe den Südsudan nun als ein völlig verändertes Land, in dem vieles wieder aufgebaut ist, was im Krieg zerstört wurde."

Am Morgen hatte der Misereor-Chef in der Kathedrale von Juba einen Gottesdienst mitgefeiert, an dem auch der südsudanesische Präsident Salva Kiir Mayardit teilnahm. Der amerikanische Senator John Kerry, Vorsitzender des Komitees für auswärtige Beziehungen im US-Senat, übermittelte in der Kathedrale die Grüße von US-Präsident Barack Obama und sagte dem Südsudan Hilfe zu. Das Referendum findet in Anwesenheit zahlreicher bedeutender Persönlichkeiten der Weltpolitik statt, unter ihnen der frühere US-Präsident Jimmy Carter und der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan. Auch der US-Schauspieler George Clooney, der sich seit längerem für Frieden im Sudan einsetzt, ist unter den Wahlbeobachtern.

Misereor appellierte an die internationale Staatengemeinschaft, sich im Falle eines Votums für die Eigenständigkeit des Südsudans nachdrücklich für die völkerrechtliche Anerkennung des neuen Staates einzusetzen - auch wenn vielleicht noch viel Zeit und Geduld für den zu erfolgenden Staatsaufbau notwendig sei. "Sollte es nach dem Referendum zu einer Trennung der beiden Landesteile kommen, werden die vielen noch ungeklärten Probleme zwischen den neuen Staaten offensichtlich werden", erklärte Misereor-Chef Sayer.

Die Lage im Sudan ist vor allem wegen eines bisher nicht gelösten Konflikts um die künftigen Grenzen zwischen dem Norden und dem Süden des Landes angespannt. Offen ist, zu welchem Landesteil künftig der ölreiche Distrikt Abyei gehören soll. In diesem Zusammenhang erinnerte Misereor daran, dass 1998 ein Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien wegen eben solcher ungeklärter Fragen in den zwischenstaatlichen Beziehungen ausbrach, nachdem Eritrea 1993 formal durch ein Referendum von Äthiopien unabhängig geworden war.

Ebenfalls brisant könnte aus der Sicht von Misereor die künftige Verteilung von Wasser in der Region werden. Sollte der Südsudan unabhängig werden und damit eigenständige Ansprüche auf diese Ressource anmelden, drohe ein weiteres Konfliktfeld. "Deutschland sollte seinen Vorteil nutzen, dass es als eines der wenigen Länder hohe Anerkennung sowohl im Norden als auch im Süden des Sudans genießt und aktiv Einfluss nehmen auf eine friedliche Beilegung der ungelösten Konflikte des Landes", sagte Sayer.

Mit Blick auf das Referendum sind nach Angaben von Cora Laes-Fettback, Misereor-Länderreferentin für den Sudan, bislang zehntausende Menschen vom Norden in den Süden des Sudans gereist. Zum einen wollten sie an dem Referendum teilnehmen. Zum anderen habe Staatspräsident al Bashir den Südsudanesen unverhohlen damit gedroht, sie nach einer Unabhängigkeit des Südens im Nordteil des Landes vom Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen auszuschließen.

Seit dem Friedensabkommen vom Januar 2005 haben sich die Infrastruktur und die Leistungsfähigkeit staatlicher Stellen in Teilen des Südsudans laut Laes-Fettback deutlich verbessert. In ländlichen Regionen gebe es aber vielfach weiter keine geregelte Versorgung mit Wasser, die meisten Straßen seien nur unzureichend befahrbar. Auch existierten für die Bevölkerung kaum Möglichkeiten, sich medizinisch betreuen zu lassen und Bildungseinrichtungen zu besuchen.

www.misereor.de

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