Hamburg. - "Für viele Hamburger Parteien ist Entwicklungspolitik nur ein Sahnehäubchen." Zu diesem Ergebnis kommt das Eine Welt Netzwerk Hamburg (EWNW), der Dachverband entwicklungspolitischer
Initiativen in Hamburg, nach der Befragung von fünf Parteien zu zehn entwicklungspolitischen Punkten im Vorfeld der Bürgerschaftswahl.
Bis auf die FDP, "der das Thema
offenbar nicht besonders am Herzen liegt", hätte alle Parteien geantwortet, erklärte das EWNW am Dienstag.
"Die Idee von Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe für verschiedene
Politikbereiche, die vor allem hier in Hamburg zu bewältigen ist, ist für einige Parteien
immer noch keine Selbstverständlichkeit", sagte EWNW-Geschäftsführerin Anneheide von Biela. So bedeute
für die CDU Entwicklungspolitik nach wie vor die finanzielle und technische Unterstützung
von Projekten in den Ländern des Südens. Auch die Antworten der SPD tendierten zu dieser
Sichtweise.
Fast alle Aktivitäten der Politik und Verwaltung vor Ort, so das EWNW, haben entwicklungspolitische und globale
Auswirkungen – sei es die Klimaerwärmung durch den Ausbau des Flughafens, der
Umgang mit Flüchtlingen, sei es die Rüstungsproduktion oder der Kauf von Lebensmitteln,
Behördencomputern und Uniformtextilien, bei deren Produktion es gilt, Arbeitsrechte und
ökologische Standards einzuhalten.
Erfreulich sei, dass alle Parteien entwicklungspolitische Expertise in ihre Politik einbinden
wollen, zum Beispiel über den Rat für nachhaltige Entwicklungspolitik, sagte von Biela.
Auch gegenüber einem regelmäßigen entwicklungspolitischen Monitoring der Hamburger
Politik zeigten sie sich aufgeschlossen. "Bisher fehlt eine Diskussion über die entwicklungspolitische
Gesamtstrategie des Senats. Wir halten dies aber für eine Selbstverständlichkeit,
schon allein um Transparenz zu erzeugen und Ansätze für ein kohärentes Vorgehen zu
schaffen", so die Geschäftsführerin des Eine Welt Netzwerks Hamburg. Oft mache leider die
eine Hand genau das, was die andere zu verhindern suche.
"Die Fachkenntnisse und Leidenschaften bei den Parteien sind je nach Thema sehr
unterschiedlich", so von Biela. So habe die Links-Partei die Themen Flucht und
Militarisierung sehr konkret beantwortet, die CDU dagegen beweise bei der Frage des
Öffentlichen Einkaufs Sachkenntnis – auch wenn sie mit ihrer Definition problematischer
Produktgruppen zu kurz greife und damit die Dimension des Themas verkenne. Die GAL
steche beim Thema Postkolonialismus positiv hervor. Sie mache sich stark für einen
zentralen Erinnerungsort sowie Lern- und Wanderpfade, die den deutschen Kolonialismus
thematisieren sollen.
Viele Absichten allerdings blieben sehr vage. Manche Anliegen des Eine Welt Netzwerks
Hamburg teilten die Parteien im Prinzip - etwa die stärkere Einbeziehung von MigrantInnen-
Organisationen. Allein die konkreten Schritte und Maßnahmen, wie diese umzusetzen sind,
fehlten bedauerlicherweise an wichtigen Punkten.
Eine klare Absage an eine Grundförderung entwicklungspolitischer Initiativen erteile die CDU.
Auch die SPD mache in dieser Frage wenig Hoffnung. Nur die GAL habe erkannt, dass im
Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zivilgesellschaftliche Organisationen auch wieder
institutionell unterstützt werden müssten, da nur eine verlässliche finanzielle Förderung
Ressourcen frei lege, die für die konkrete Projekt- und Bildungsarbeit genutzt werden könnten.
SPD, GAL und die LINKE unterstützen zwar die Forderung nach einer Erhöhung der
entsprechenden Haushaltstitel. Doch mit dem Verweis auf die Haushaltslage machten die
SPD und die GAL deutlich, dass ihre Prioritäten woanders liegen. "Für viele Parteien ist
Entwicklungspolitik offensichtlich nur ein Luxus, den man sich leisten kann, wenn
gerade Geld da ist", so von Biela.
Schockiert ist das Netzwerk über so manche Aussagen der CDU. Angesichts
Lagerunterbringung, Abschiebehaft und Duldungen findet es die Behauptung zynisch,
Hamburg sei "ein sicheres, lebenswertes und attraktives Zuhause für alle
Generationen und in jeder Lebensphase". Auch dass sich die CDU wie die SPD dafür
ausspreche, "gut integrierten" Kindern und Jugendlichen eine Bleiberechtsperspektive zu
ermöglichen, offenbare "die Nützlichkeitserwägungen, die nicht davor zurückschrecken,
Kinder, die in engen Wohnungen oft nicht die besten Lernbedingungen haben, unter einen
enormen Druck zu setzen. Denn dann hängt es allein von ihnen ab, ob sie oder sogar die
ganze Familie bleiben dürfen.
"
Fast sprachlos machten von Biela die Aussagen der CDU, die Städtepartnerschaft mit Dar
es Salaam sei "nicht durch Deutschlands Vergangenheit als Kolonialmacht belastet". "Mit
einer so naiven und verharmlosenden Sicht wird es schwierig, wenn nicht gar unmöglich,
eine gleichberechtigte Partnerschaft zu gestalten", so von Biela.
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