gfbvGöttingen. - Unter Libyens Tuareg wächst die Angst vor neuer Ausgrenzung und Diskriminierung nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) berichtete am Mittwoch in Göttingen, dass rund 500 Tuareg aus der Region Ghadames im Südwesten Libyens in den vergangenen Tagen im Nachbarland Algerien Schutz und Zuflucht gesucht haben. Außerdem warne die "Koordination der Tuareg in Libyen" vor Übergriffen und bezeichne die Lage der Ureinwohner im Land als "katastrophal".

"Es ist fatal für die Tuareg, dass sie pauschal als Gefolgsleute Gaddafis dargestellt werden und ihnen sogar eine führende Rolle bei der Flucht des Diktators beigemessen wird", sagte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Damit wird einerseits ihr politischer Einfluss in Nordwestafrika überschätzt und gleichzeitig die Vielfalt der Tuareg- Bewegung ignoriert. Denn auch Repräsentanten der 600.000 in Libyen lebenden Tuareg wurden von Gaddafis Schergen bedroht und mussten deshalb das Land verlassen."

Delius befürchtet, dass die Tuareg wieder einmal zu den großen Verlierern des Umbruchs in Nordafrika werden. Weil Gaddafi seit Beginn der 90er Jahre Tuareg-Freiheitsbewegungen im Norden Malis und Nigers unterstützte und aus diesem Kreis nun auch Söldner anwarb, um die Aufständischen in seinem Land zu bekämpfen, würden alle Tuareg kollektiv für Anhänger des Diktators gehalten. "Dabei haben die meisten der in Libyen lebenden Tuareg nichts mit diesen Söldnern zu tun und standen Gaddafi kritisch gegenüber, weil er die Existenz nicht-arabischer Völker in Nordafrika lange Zeit leugnete", sagte der Menschenrechtler. Nach Libyen kamen die meisten Tuareg auf der Suche nach Arbeit, nachdem die Dürrekatastrophen in der Sahelzone in den 70er Jahren ihre Viehherden und wirtschaftliche Existenz vernichtet hatten.

Zudem waren die Tuareg-Kämpfer in Mali und Niger der GfbV zufolge niemals besonders enge Gefolgsleute Gaddafis. "Der Diktator instrumentalisierte die Tuareg genauso wie Freiheitsbewegungen im Tschad, Sudan und anderen Staaten, um Afrika zu destabilisieren", berichtete Delius. "Mehrfach hat Gaddafi ihnen die Unterstützung entzogen, wenn es ihm opportun erschien." Nun zu vermuten, dass die Tuareg Gaddafi Asyl vermitteln würden, sei unrealistisch. Denn in keinem Staat Nordwestafrikas hätten die Tuareg so eine Machtposition, um Schutz für den ungeliebten Diktator zu gewährleisten. "Sie sind selber in diesen Ländern in einer äußerst schwierigen Situation und dafür ist Gaddafi maßgeblich verantwortlich."

Der Umbruch in Libyen treffe die Tuareg zu einem schwierigen Zeitpunkt, so die GfbV. Denn seit der weltweite Kampf gegen den Terrorismus sich auch gegen "El Kaida im Maghreb" (AQMI) richtet, litten sie unter der Militarisierung der Sahara. So sei der Tourismus zusammengebrochen, der als wirtschaftlich wichtige Einnahmequelle der Tuareg gilt.

www.gfbv.de

Back to Top

Wir nutzen ausschließlich technisch notwendige Cookies auf unserer Website.