gfbvGöttingen. - Im westafrikanischen Krisenstaat Mali droht die Einführung der Scharia in allen Landesteilen. Das hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag in Göttingen berichtet. "Die Islamisten fordern nicht aus religiösen Gründen die Einführung des traditionellen muslimischen Rechts, sondern um ihre Macht zu demonstrieren und Kontrolle auszuüben", sagte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Diesem Druck nachzugeben würde einer Bankrotterklärung der Demokratie in Mali gleichkommen."

Die "Bewegung für die Einheit und den Jihad in Westafrika" (MUJAO) hatte am Wochenende die Einführung der Scharia in allen Landesteilen zur Bedingung für Friedensverhandlungen mit der Regierung Malis erklärt. Die MUJAO, El Kaida im Maghreb (AQMI) und die mit ihnen verbündete radikal-islamische Ansar Dine kontrollieren seit dem Frühsommer 2012 die nördliche Landeshälfte Malis.

Die GfbV beklagt auch eine zunehmende Zahl von Amputationen im Norden Malis aufgrund der Einführung der Scharia und die Einschränkung der Frauenrechte. "Die islamistischen Bewegungen haben im Norden Malis in den letzten drei Monaten eine Terrorherrschaft errichtet, unter der die Zivilbevölkerung leidet", erklärte Delius.

Die Mehrzahl der Scharia-Opfer stamme aus afrikanischen ethnischen Gruppen (Songhoi, Peul), so die GfbV. Aber auch Tuareg seien bereits wegen angeblichen Diebstahls Gliedmaßen amputiert worden. Jede Woche nehme die Zahl der aufgrund der Scharia Amputierten und Ausgepeitschten zu. Allein in der Stadt Gao drohten mehr als 80 Inhaftierten Amputationen von Gliedmaßen. Am 10. September seien dort fünf Männern wegen Raubes jeweils ein Fuß und eine Hand amputiert worden.

"Besonders unmenschlich ist, dass diese amtlich verordneten Verstümmelungen noch nicht einmal medizinisch angemessen begleitet werden", sagte Delius. So sei ein mutmaßlicher Dieb gestorben, dem man im August in dem Ort Ansongo die Hand amputiert hatte, da man ihm nur Schmerzmittel und Antibiotika gegeben habe, um die Wunde zu stillen. Ein nicht verheiratetes Paar sei am 29. Juli von Islamisten in der Stadt Aguelhok öffentlich gesteinigt worden. Das Paar hinterlasse zwei kleine Kinder, darunter einen sechs Monate alten Säugling.

Zwar sind 90 Prozent der Menschen im Norden Malis Muslime. Der dort praktizierte Islam galt jedoch immer als besonders gemäßigt. Alkohol- und Rauchverbote sowie das Tragen des Schleiers für Frauen waren unbekannt. "In Timbuktu müssen heute sogar Tuareg-Frauen, die traditionell niemals einen Schleier tragen, sich in der Öffentlichkeit nur verschleiert zeigen, wenn sie der Verhaftung entgehen wollen."

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