star keniaHamburg. - Zahlreiche europäische Zeitungen bewerten die Ergebnisse des gerade erschienenen IPCC-Klimaberichtes als dringende Aufforderung an die Politik, endlich eine entschlossene und wirkungsvolle Klimapolitik zu betreiben. Fachjournalist Frank Kürschner-Pelkmann hat auch Online-Medien aus Afrika und Asien für eine Analyse internationaler Stimmen zum Klimabericht ausgewertet: Leider greifen viele auf westliche Agenturen zurück und enthalten sich eigener Einschätzungen. Doch es gibt Ausnahmen.

Die linksliberale französische Tageszeitung "Le Monde" kommentierte den Bericht so: "Der Klimawandel ist keine Frage des Wissens mehr. Die Wissenschaftler haben ihre Arbeit getan. Die Politiker haben alle Informationen, um ihrer Verantwortung nachzukommen. Internationale Verhandlungen sind im Gange, doch keiner achtet mehr darauf... Der Kampf gegen die Klima-Erwärmung ist Sache der Staats- und Regierungschefs, da er einen tiefen Wandel unserer Gesellschaften mit sich bringt."

Der britische "Guardian" stellte in einem ausführlichen Beitrag dar, dass nach den Erkenntnissen der Klimawissenschaft die armen Länder am härtesten vom Klimawandel betroffen sind: "Länder mit einem niedrigen Prokopfeinkommen werden im Laufe des Jahrhunderts weiterhin an der Frontlinie des von Menschen ausgelösten Klimawandels stehen. Sie werden, so die bisher gründlichste Begutachtung zu dieser Thematik, einen allmählichen Anstieg des Meeresspiegels, heftigere Zyklone, wärmere Tage und Nächte, unvorhersehbare Niederschläge sowie stärkere und längere Hitzewellen erleben."

Bedauerlicherweise ergibt die Recherche auf Online-Ausgaben asiatischer und afrikanischer Zeitungen, dass dort nur relativ wenige Artikel über den IPCC-Bericht zu finden sind, und dann handelt es sich häufig um die Wiedergabe von Meldungen westlicher Nachrichtenagenturen wie AP und AFP.

Zu den Ausnahmen gehört die indische Tageszeitung "Hindustan Times", die am 2. Oktober einen ausführlichen Kommentar veröffentlicht hat. Nachdem einige Beispiele für die bereits erkennbaren Klimaveränderungen in verschiedenen Teilen Indiens aufgeführt werden, wird festgestellt: "Es ist eindeutig, dass wir es uns nicht leisten können, die Auswirkungen des Klimawandels zu ignorieren. Was sollten wir also tun? IPCC ist eindeutig. Die Hauptursache des Klimawandels ist die zunehmende Konzentration von Treibhausgasen – vor allem Kohlendioxid – in der Atmosphäre. Diese Zunahme wird vor allem durch die steigende Nutzung von fossiler Energie verursacht, Öl und Kohle. Aber das sind unsere wichtigsten Energiequellen, und wir brauchen immer mehr Energie für die Entwicklung Indiens. Wie können wir also dieses Problem lösen?"

Es wird erwähnt, dass die indische Regierung bei internationalen Klimaverhandlungen immer wieder daran erinnert hat, dass die reichen Länder das Problem verursacht haben und dass sie für eine Lösung sorgen müssten. Auch verweise die Regierung darauf, dass Indien pro Kopf der Bevölkerung sehr viel weniger Emissionen verursacht als die Industrieländer.

"All dies ist wahr und eine gute Verhandlungstaktik, aber es löst unsere Probleme nicht", schreibt die indische Tageszeitung. "Es gibt kein Anzeichen dafür, dass die reiche Welt einen signifikanten Betrag an Indien oder an irgendein anderes Entwicklungsland zahlen wird, während aber gleichzeitig der Klimawandel immer mehr an Geschwindigkeit gewinnt. Die meisten Entwicklungsländer – darunter Indien – liegen näher am Äquator als die meisten reichen Länder, und die Wissenschaftler sagen uns, dass die schlimmsten Auswirkungen die Tropen treffen werden. Deshalb ist es in unserem eigenen Interesse, proaktiv tätig zu werden." Angesichts von zögerlicher indischer Klimapolitik und Korruptionsskandalen fordert die Zeitung: "Es ist dringend erforderlich, dies zu bereinigen und offensiv den Weg zu erneuerbaren Energien einzuschlagen."

Die kenianische Tageszeitung "The Star" schrieb nach Erscheinen des IPCC-Berichtes: "Zweifel und Skepsis sind das Herzblut der Wissenschaft und das Herz der wissenschaftlichen Entdeckungen und Innovationen... Aber Unsicherheiten über das Ausmaß des globalen Temperaturanstiegs und die Größenordnung der damit verbundenen Auswirkungen dürfen nicht als Beruhigungspille dienen, um nicht zu handeln. Unsicherheiten sind ein grundlegendes Charakteristikum des von Menschen verursachten Klimawandels und sind damit der eigentliche Grund des Handelns zu deren Begrenzung. Wir wissen genug, um angesichts der vorhersehbaren Erwärmung zu handeln. Die kritische Antwort auf die globale Erwärmung muss angetrieben sein von moralischem Verantwortungsbewusstsein gegenüber kommenden Generationen und nicht von engstirniger nationaler Politik oder wirtschaftlichen Kalkulationen."

INTERNATIONALE NGOS: "AUF DIE EXPERTEN HÖREN, BEVOR ES ZU SPÄT IST"

Das "Climate Action Network International", zu dem sich 850 Nichtregierungsorganisationen in aller Welt zusammengeschlossen haben, sieht durch den Bericht bestätigt, dass der Klimawandel begonnen hat und sich u.a. in steigendem Meeresspiegel und zurückgehenden Eisflächen zeigt. Wael Hmaidan, der Direktor des Netzwerkes, betont: "Der Bericht zeigt, dass die Wissenschaft zu eindeutigen Ergebnissen über den Klimawandel gekommen ist. Die Menschen fordern zu Recht, dass die Regierungen die Klimarisiken für unsere Gemeinschaften und Volkswirtschaften angehen."

Tim Gore, Landwirtschafts- und Klimaexperte der internationalen Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation Oxfam, stellt zum IPCC-Bericht fest: "Der neueste Bericht der Klimawissenschaft bestätigt das, was Kleinbauern in allen Teilen der Welt uns sagen: dass sich die jahreszeitlichen Wetterverhältnisse ändern und dass das Wetter zunehmend von Extremen geprägt und unberechenbarer wird, macht es ihnen immer schwerer, ihre Familien zu ernähren. Der Bericht sagt uns auch, dass es möglich ist, die allerschlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden und dass wir immer noch das Ziel erreichen können, dass jeder Mensch genug zu essen hat. Die Regierungen sollten aus den Fehlern der globalen Finanzkrise lernen, wo Warnsignale ignoriert und nicht auf die Experten gehört wurde, bevor es zu spät war."

Sarah-Jayne Clifton, die internationale Koordinatorin für Klimagerechtigkeit und Energie der Umweltschutzorganisation "Friends of the Earth", zieht aus dem Bericht den Schluss: "Ein klimafreundliches Energiesystem, das die grundlegenden Energiebedürfnisse aller erfüllt, ist möglich. Die Wissenschaft fordert es, die Menschen fordern es, unser Planet fordert es – unsere Regierungen müssen nun den politischen Willen haben, damit es verwirklicht werden kann."

"KLIMASKEPTIKER" MELDEN SICH ZU WORT: "JE MEHR CO2, DESTO MEHR LEBEN"

Die Präsentation des IPCC-Berichtes war ein Anlass für eine ganze internationale Phalanx von "Klimaskeptikern", sich zu Wort zu melden. Zwar kannten sie zu diesem Zeitpunkt den umfangreichen Bericht noch nicht, aber dafür hatten sie fest gefügte Überzeugungen und Gedankengebäude. So äußerte zum Beispiel Professor Bob Carter, leitender wissenschaftlicher Berater der "International Climate Science Coalition": "Dem heute herauskommenden Bericht des Weltklimarats der UN sollte niemand trauen." Er behauptete: "In der Geschichte des IPCC gibt es eine Reihe von Verfehlungen, wozu sogar das Umschreiben von Empfehlungen wissenschaftlicher Experten gehört, damit diese besser zu den schwarzseherischen Vorstellungen teilnehmender Regierungen passen."

Dr. Tim Ball, früherer Professor für Klimakunde an der Universität Winnipeg, äußerte: "Unerklärlicherweise zeigt sich der IPCC sogar noch stärker überzeugt, dass anthropogene Treibhausgase für den Großteil der Erwärmung in den letzten 50 Jahren verantwortlich sind, obwohl er bei sämtlichen Prognosen daneben gelegen hat. Bedauerlicherweise wird dieser IPCC-Bericht Regierungen zu Unrecht ermutigen, so strenge CO2-Vorschriften einzuführen, dass Kohlenwasserstoffprodukte, die wichtigste Energiequelle der Welt, weiter reduziert und Milliarden der schutzbedürftigsten Menschen zu einem Leben in Energiearmut verurteilt werden."

Auch in Europa gibt es einzelne Wissenschaftler, die leugnen, dass der Klimawandel von Menschen verursacht wird. Dr. Tom V. Segalstad, außerordentlicher Professor für Ressourcen, Umweltgeologie und Geochemie an der Universität Oslo, erklärte: "CO2 ist das ‚Gas des Lebens'. Je mehr CO2, desto mehr Leben. Mehr CO2 bedeutet, dass wir mehr Menschen auf der Erde mit Nahrung versorgen können."

Es wäre leichtfertig, solche fragwürdigen Argumentationen zu ignorieren, denn die "Klimaskeptiker" finden nicht nur in den USA eine breite Beachtung und große finanzielle Unterstützung. Das Argument, man müsse Pro und Contra zu Wort kommen lassen, eröffnet den Leugnern des von Menschen verursachten Klimawandels immer wieder Gelegenheit, in Massenmedien ihre Thesen zu verfechten, egal, wie gründlich sie von der Klimawissenschaft längst widerlegt sind.

So bot die konservative britische Tageszeitung "Daily Telegraph" anlässlich der Präsentation des IPCC-Berichtes einem prominenten "Klimaskeptiker" die Möglichkeit, seine Behauptung zu verbreiten, die Forderung nach einer schrittweisen Reduzierung der fossilen Energiequellen sei ökonomischer Unsinn und würde den Entwicklungsländern schaden. Der Beitrag hat die Überschrift: "Klimawandel: Das ist keine Wissenschaft – es ist mumbo jumbo".

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich auch in Deutschland die gut organisierten "Klimaskeptiker" öffentlichkeitswirksam als Verfechter der Interessen der Armen und Hungernden der Welt zu Wort melden werden. Engagierte Umwelt-, Klima- und Eine-Welt-Gruppen sollten solche Kampagnen ernst nehmen, selbst wenn die Thesen unsinnig erscheinen. Es gilt, den Thesen wirksam entgegenzutreten, bevor sie in der hiesigen Öffentlichkeit ernsthafter diskutiert werden als die These, die Erde sei eine Scheibe.

kuerschner-pelkmann frank
Frank Kürschner-Pelkmann lebt in der Nähe von Hamburg, arbeitet als freier Journalist und betreibt u.a. die Website www.wasser-und-mehr.de.

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