LibanonBeirut/Aachen (epo.de). - Vier Wochen nach den Kämpfen im Südlibanon wächst in der Bevölkerung die Hoffnung auf Frieden. UN-Generalsekretär Kofi Annan ist zuversichtlich, die im Libanon stationieren UN-Truppen bis Freitag auf 5.000 Mann verdoppeln zu können. Viele der in ihre Dörfer zurückgekehrten Südlibanesen stehen jedoch buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz. Wie sie den kommenden Winter überstehen sollen, ist für die meisten eine ungelöste Frage. Maria Haarmann, Nahost-Referentin beim katholischen Hilfswerk MISEREOR, schildert die prekäre Lage der Zivilbevölkerung.

"Vielen Dank für deine moralische Unterstützung", schreibt mir May Assaad von einer unserer Partnerorganisationen im Libanon, doch als ich weiterlese, begreife ich schnell, dass ein wirklicher Trost in dieser Lage nur schwer möglich ist: "Ich kann verstehen, dass alle Länder Kriege durchstehen müssen, bevor sie die Unabhängigkeit erreichen. Aber ich kann nicht verstehen, dass eine einzige Generation (meine Generation) so viele Perioden der Unsicherheit und einen Krieg nach dem anderen durchstehen muss, um jedes Mal alle Phasen der Not und des Wiederaufbaus zu durchlaufen, immer und immer wieder."

Es ist nur eine einzelne Stimme, aber sie verdeutlicht das Dilemma eines ganzen Landes, das so oft Schauplatz von Stellvertreterkriegen wurde. Und auch diesmal ist es die einfache Bevölkerung, die den höchsten Preis für Auseinandersetzungen zahlen muss. So wird auch der jüngste Krieg zwischen Israel und der Hisbollah die ohnehin ausgeprägte Landflucht mit all ihren negativen Folgen verstärken. Schon jetzt lebt mehr als die Hälfte der Libanesen in Beirut, obwohl die Hauptstadt kaum Perspektiven bietet.

Dies spiegelt sich auch in der wachsenden Zahl entwurzelter und gefährdeter Jugendlicher wider. Seit Jahren unterstützt MISEREOR daher auch Jugendbildungsprojekte in der Stadt. In einigen Stadtteilen herrscht wegen der vielen Flüchtlinge, die in den letzten Wochen kamen, noch immer eine Art Ausnahmezustand. Nicht alle kehren jetzt in ihre Dörfer zurück, weil dort nicht nur die Häuser zerstört sind, sondern auch die Felder und damit die gesamte Existenzgrundlage.

Issam Bishara, Mitarbeiter einer lokalen MISEREOR- Partnerorganisation und sein Hilfs-Team sind in den Süden des Landes gereist. Sie finden eine bedrückende Atmosphäre vor: überall zerstörte Häuser und Hunderte ausgebrannter Autos.

In den schiitischen Siedlungen Siddiqine und Kafra, die größtenteils in Trümmern liegen, hausen die Menschen in Zelten oder unter Bäumen, sie warten auf Hilfe, entweder vom staatlichen Südlibanon-Komitee oder von der Hisbollah. Auch der schiitisch-christliche Ort Braachit ist von Trümmern bedeckt. Besonders schwer wiegt hier, dass die Olivenhaine, Wassermelonenplantagen und Weizenfelder des Ortes fast komplett verbrannt sind und die Einwohner damit ihre Lebensgrundlage verloren haben.

Im christlichen Dorf Ain Ebel gab Pater Hanna Sleiman zusammen mit Vertretern des Dorfkomitees einen Überblick über die Schäden in seiner Gemeinde. So wurden bei Straßenkämpfen zwischen der Hisbollah und israelischen Soldaten 200 der 450 Häuser beschädigt oder zerstört. Die israelische Armee hinterließ dabei ein tödliches Erbe, denn sie setzte mit Minen und Streubomben zwei besonders zerstörerische Waffen ein. Eine einzige Streubombe enthält bis zu 1.000 Sprengsätze, von denen ein großer Teil aber nicht sofort zündet. Diese Blindgänger stellen auch lange nach den Kampfhandlungen noch eine Gefahr für die Zivilbevölkerung dar, und hier besonders für Kinder.

Trotz dieser lebensgefährlichen Umstände ist fast die Hälfte der Bewohner von Ain Ebel wieder in ihr Dorf zurückgekehrt und hofft auf schnelle Hilfe bei der Beseitigung der Sprengmittel. Pater Sleiman berichtete, dass die Bauern von Ain Ebel große Teile ihrer Ernte verloren haben. Auch die Rinder- und Geflügelzüchter wurden stark getroffen. Nun würden dringend Lebensmittel, sauberes Trinkwasser und Elektrizität benötigt.

Ähnlich ist die Lage auch in Region um Mardschajun, im Südosten des Landes. Die gesamte Bevölkerung der Kleinstadt musste vor den Kämpfen fliehen. Bis jetzt ist erst ein Drittel der Einwohner zurückgekehrt. Bürgermeister Bassam Balaa bat um eine schnelle Hilfslieferung von Diesel, damit die Pumpen der acht Meter tiefen Trinkwasserbrunnen wieder betrieben werden können. Da einige Schulgebäude zerstört wurden, müssen die restlichen Schulen nun im Zweischichtbetrieb arbeiten, um alle Schüler unterrichten zu können. Auch die Weizen- , Sesam- und Gemüsefelder zwischen Mardschajun und (Khyam) Khiyam sind vollständig verbrannt.

Die Menschen im Libanon können derzeit nur hoffen, dass die UN-Truppen ihnen ein Atempause verschaffen. Aber für einen echten und dauerhaften Frieden braucht es mehr, als nur Blauhelmsoldaten...

 MISEREOR


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