München (epo). - Trotz Kyotoprotokoll und Emissionshandel erwarten Wissenschaftler drastische Folgen des Klimawandels für Deutschland. In der Zukunft sei immer häufiger mit extremeren Winterstürmen und Unwettern, Überschwemmungen und Sturzfluten, Hitzewellen und Dürren in Deutschland zu rechnen, hiess es auf einer Tagung des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit am 16. Februar 2005 in München. Dazu trügen zunehmend auch Veränderungen bei den atmosphärischen Extremwerten als Folge der globalen Erwärmung bei. Der Klimawandel werde allein in Deutschland Schäden in Milliardenhöhe verursachen.

Das GSF-Forschungszentrum hatte gemeinsam mit der Münchener Rückversicherungsgesellschaft Vertreterinnen und Vertreter des Umwelt- und Gesundheitswesens sowie der Versicherungswirtschaft zur Fachtagung "Klimawandel und Wetterextreme - Die Folgen für Deutschland" eingeladen. Ziel der mit rund 100 Teilnehmern ausgebuchten Veranstaltung war es, konkret für Deutschland den neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den wirtschaftlichen, gesundheitlichen und umweltrelevanten Folgen des Klimawandels zusammenzufassen.

Die Teilnehmer erhielten die Gelegenheit, sich einen Tag lang mit Vertretern der bedeutendsten Institutionen deutschsprachiger Klimaforschung und hochrangigen Vertretern aus Wirtschaft und Industrie auszutauschen. Basierend auf regionalen Klimamodellen, die über globale Modelle abgesichert werden, können die Wissenschaftler laut GSF bereits einige konkrete Vorhersagen für das zukünftige Klima in Deutschland und Europa machen: Die Landflächen der nördlichen Erdhälfte werden sich mit zunehmender geographischer Breite stärker erwärmen. Die Jahresniederschlagsmenge hoher nördlicher Breiten wird zumeist zunehmen, die Niederschläge in höheren mittleren Breiten im Winterhalbjahr ebenfalls. Die Regenmengen werden auch pro Ereignis zunehmen, es wird neue Extreme geben.

"Auch ein abrupter Klimawandel kann für das 21. Jahrhundert nicht ausgeschlossen werden" warnte Hartmut Graßl, Direktor am Max Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, auf der Veranstaltung in München und forderte eindringlich Maßnahmen zur Anpassung auch in Deutschland. So seien Siele, Rückhaltebecken, Regenrinnen und Deiche vor allem an kleineren Flüssen zu vergrößern sowie der Blitzschutz zu verbessern. Auch die Sicherung der Stromversorgung bei sommerlichen Hitzewellen bisher unbekannten Ausmaßes müsse gewährleistet bleiben.

"Der Klimawandel wird Schäden in Milliardenhöhe allein in Deutschland verursachen, wenn die internationalen Staaten sich auf keine einheitliche Linie zur Treibhausgasreduktion einigen können" so Prof. Dr. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Weltweit sei innerhalb der nächsten 50 Jahre mit Schäden in Höhe mehrerer Billiarden Euro zu rechnen, so die eben neu an die Humboldt Universität Berlin berufene Professorin. Das Kyoto-Protokoll sei ein wichtiger, wenn auch erster Schritt zur Treibhausgasminderung. Die Kosten der Emissionsminderung seien weitaus geringer als die erwarteten Schäden durch den Klimawandel.

Die gesundheitlichen Risiken der bevorstehenden Klimawandels für Deutschland liegen vor allem in der zu erwartenden Zunahme der Hitzeperioden. "Das schon heute in Deutschland bestehende Infektionsrisiko durch Zeckenbisse wird steigen", prognostiziert Peter Höppe, Leiter des Bereichs GeoRisikoForschung der Münchener Rückersicherungsgesellschaft. "Bei einer weiteren Erwärmung müssen wir in Deutschland mit der Ausbreitung von "tropischen" Infektionskrankheiten wie z.B. Malaria oder Dengue Fieber rechnen. Deutschland könnte zumindest aus gesundheitlicher Sicht von der Klimaänderung auch profitieren, da mit einer verminderten Sterblichkeitsrate in den Wintermonaten zu rechnen sei, so Höppe.

Das Kyoto-Protokoll und der mit seiner Umsetzung verbundene Emissionshandel werde "zunächst sein volles Potential noch nicht entfalten können", schränkte Carlo Jaeger vom Potsdam-Institut für Klimafolgenschätzung die Erwartungen ein. "So liegen die jetzigen Mengenvorgaben für Deutschland sogar über den Emissionsmengen, die ohne Zertifikate zu erwarten wären - das kann nicht der Sinn der Sache sein", so der Leiter des Europäischen Klimaforums.

Auch schwäche die gewählte Art der Zertifikatsvergabe den Wettbewerb, anstatt ihn zu stärken. Im Rahmen der bestehenden Infrastruktur im Kraftwerks-, aber auch im Gebäude- und Verkehrsbereich seien nur bescheidene Emissionsreduktionen realisierbar. In den nächsten Jahren werde deshalb das Instrument Emissionshandel zunächst erprobt werden müssen, ohne dass weit reichende Erfolge erreicht werden können. "Zugleich muss eine Erneuerung der bestehenden Infrastruktur vorbereitet werden, bei der deutlich weniger Energie verbraucht wird und zugleich in großem Umfang erneuerbare Energie aus dem Mittelmeerraum importiert wird" forderte Jaeger auf der Tagung in München.

 GSF - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit


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