Der Ilisu-Staudamm steht seit Jahren wegen seiner massiven ökologischen, sozialen und kulturellen Auswirkungen in der Kritik. Die Bundesregierung und die Regierungen der Schweiz und Österreichs rechtfertigten ihre Bürgschaftsübernahmen für das Projekt damit, dass Auflagen erteilt worden seien, die das Projekt verbessern sollen. Ein unlängst veröffentlichter Bericht von Experten, die im Auftrag der Bundesregierung die Umsetzung der Auflagen überprüften, bestätigte aus der Sicht der NRO jedoch, dass alle Bedenken gegenüber Ilisu berechtigt sind.
"Der Bericht zeigt, dass die bisherigen Bemühungen, das Projekt auf internationale Standards anzuheben, komplett gescheitert sind. Seit der Bürgschaftsbewilligung wurde keine der vereinbarten Auflagen umgesetzt", erklärte Regine Richter, Energieexpertin bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald.
Die Experten bemängelten auch, dass die Auflagen bei vielen türkischen Verantwortlichen unbekannt seien. Allein für den Umsiedlungsbereich müssten 200 Personen angestellt werden. Planungen für die Schaffung eines touristischen Zentrums mit den aus dem Staudammgebiet verlagerten historischen Monumenten seien unrealistisch und nennenswerte Touristenströme nicht zu erwarten. Zudem bestätigten die Experten die Kritik unabhängiger Wissenschaftler, dass viele Monumente nicht transportierbar seien, ohne ihre völlige Zerstörung zu riskieren. Im Umweltbereich fehlten bisher notwendige Untersuchungen, ohne die der Bau nicht begonnen werden darf.
"Die Bundesregierung bemüht sich, business as usual zu betreiben und einfach mit der türkischen Seite neue Fristen für die nächsten Schritte zu vereinbaren", urteilte Heike Drillisch von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation WEED. "In Wahrheit enthüllt der Bericht das Fiasko, in das die Regierung sich mit ihrer Bürgschaftsbewilligung für den Ilisu-Staudamm begeben hat."
Wie der Mangel an qualifiziertem Personal, die unzureichende Sicherheitslage in Teilen der Region oder das Fehlen von Ersatzland für die Umsiedlungsopfer behoben werden sollen, könne keiner der Zuständigen beantworten. "Die Bundesregierung muss daher akzeptieren, dass internationale Standards nicht erreicht werden können, und ihre Bürgschaft zurückziehen", forderte Ann-Kathrin Schneider von International Rivers.