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Accra/Berlin (epo.de). - Die USA und Japan können ihre Entwicklungsmaßnahmen weiterhin nach eigener Fasson durchführen, ohne an Beschlüsse der Geber- und Nehmerländer über mehr Kooperation, Transparenz und Kohärenz gebunden zu sein. Das ist ein Ergebnis der dreitägigen Ministerkonferenz zur Wirksamkeit der Entwicklungshilfe (Accra High Level Forum on Aid Effectiveness) in Ghana. Die Konferenz beschloss einen Ausbau der Budgethilfe und Finanzierungspläne, die es den Entwicklungsländern erleichtern sollen, Zusagen in ihre Haushalte einzuplanen.

"Insgesamt konnte der Einfluss der Entwicklungsländer auf die Vergabe der Mittel für internationale Entwicklungszusammenarbeit gesteigert werden", urteilt der Evangelischde Entwicklungsdienst (EED). Die Accra-Konferenz habe den Anspruch gehabt, den effizienten Einsatz von Entwicklungshilfe durch mehr Eigenständigkeit der Empfängerländer zu verbessern. Dieses Ziel der Gebergemeinschaft sei von den USA und Japan unterlaufen worden. Sie hätten sich "Schlupflöcher" in der Accra Agenda for Action erstritten, um Entwicklungsprojekte weiterhin unabgestimmt durchführen zu können. "Die beiden Länder haben die Chance vertan, dass ein größerer Anteil der Hilfe tatsächlich bei den Armen ankommt", sagte Peter Lanzet, Experte für Entwicklungsfinanzierung des EED.

Er wertete es aber als Erfolg der Konferenz, dass "künftig immerhin mindestens 60 Prozent der Mittel der internationalen Entwicklungszusammenarbeit - nämlich der Anteil der EU - nach dem neuen Verfahren der Accra Agenda for Action eingesetzt werden". Dieses neue Verfahren sieht vor, dass Industriestaaten künftig bis zur Hälfte ihrer Entwicklungshilfe als Haushaltshilfen für die Länder des Südens und Ostens zur Verfügung stellen. Dadurch können Entwicklungsprojekte von den jeweiligen nationalen Parlamenten und Verwaltungen geplant und mit lokalen Kräften umgesetzt werden.

"Die Partnerländer werden dadurch eigenständiger und können ihre eigenen Kapazitäten nutzen und ausbauen", so der EED. "Die Geberländer sparen Kosten." Bisher gebe es allerdings wenig praktische Erfahrungen mit diesen neuen Ansätzen der Entwicklungszusammenarbeit. Deshalb solle dieses Verfahren von öffentlicher Rechenschaftslegung begleitet werden.

Weitere positive Ergebnisse der Konferenz sind aus der Sicht des EED die Aufwertung der Parlamentarier in den Ländern des Südens gegenüber deren Ministerien und die Stärkung einer eigenständigen Rolle der Zivilgesellschaft in der Entwicklungszusammenarbeit. Ihre Beteiligung ist insbesondere bei Planung, Begleitung und Ergebnissicherung von Entwicklungsprozessen vorgesehen.

WACHSENDER KONSENS

"Es gibt einen wachsenden Konsens darüber, was wirksame Hilfe ausmacht. Die Aufgabe lautet jetzt, diese Erkenntnisse konsequent umzusetzen", kommentierte der Direktor von ONE in Deutschland, Tobias Kahler. Auch an die Adresse von Bundesministerin Wieczorek-Zeul sagt Kahler weiter: "Jeder Geberstaat sollte nun möglichst bald einen nationalen Aktionsplan vorlegen, wie und bis wann die Agenda von Accra umgesetzt wird."

Die Entwicklungsländer sollten mit der Einigung von Accra auch ein Instrument an die Hand bekommen, mit dem die Geber individuell beurteilt werden können. Es bleibe viel zu tun, "denn die Umsetzung der Pariser Erklärung verläuft schleppend", sagte Kahler in Berlin.

Ein wichtiger Fortschritt von Accra aus der Sicht von ONE sind die bessere Voraussagbarkeit von Hilfe. Die Geber hatten eingewilligt, Finanzierungspläne für 3-5 Jahre im Voraus vorzulegen. Dies ermögliche es den Entwicklungsländern, Zusagen in ihre mittelfristigen Finanzplanungen einzubeziehen. Darüber hinaus haben die Geber klar definierte Zusagen gemacht, für Unterstützungsleistungen die Haushalts- und Ausschreibungssysteme der Partnerländer zu nutzen. Sie stimmten auch zu, ihre Berichterstattung zu Zahlungsflüssen den Berichtsformaten und –zyklen der Partner anzupassen, um eine verbesserte Vergleichbarkeit der Daten zu

Die Geber, so ONE, wollen ihre Entwicklungszusammenarbeit künftig überdies transparenter gestalten und damit den Forderungen der Internationalen Transparenzinitiative für die Entwicklungszusammenarbeit Rechnung tragen.

RICHTIGE RICHTUNG

"Auch wenn die Schlusserklärung der Accra-Konferenz zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit aufgrund von Bremsmanövern der USA und Japans hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, weisen doch viele ihrer Forderungen und Verabredungen in die richtige Richtung", erklärte Thilo Hoppe, Leiter der AG Globalisierung, Global Governance und Welthandel der Bundestagsfraktion Bündis 90/Die Grünen. "Mehr Transparenz, gegenseitige Rechenschaftspflicht aller Akteure, stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft und Parlamente, längerfristige Zusagen, bessere Abstimmung und Arbeitsteilung und vor allem mehr Gewicht auf den Aufbau und die Nutzung leistungsfähiger und korruptionsfreier staatlicher Institutionen in den Partnerländern."

Die Bekräftigung der Pariser Erklärung von 2005, neue Instrumente in der gemeinschaftlichen Budgethilfe stärker zu nutzen, statt die Partnerländer weiterhin mit einer unüberschaubaren Zahl von Einzelprojekten vieler verschiedener Geberländer zu überfordern, lasse darauf hoffen, "dass den Worten jetzt auch Taten folgen und nationale Egoismen überwunden werden", so Hoppe. "Es setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Millenniumsentwicklungsziele - allen voran die Halbierung der Zahl der extrem Armen und Hungernden - sich nur erreichen lassen, wenn Qualität und Quantität der Entwicklungszusammenarbeit gesteigert, die Anstrengungen der verschiedenen Akteure besser aufeinander abgestimmt werden und mehr Politikkohärenz erreicht wird.

In Deutschland probten allerdings vor allem die FDP sowie einige Unionspolitiker "die entwicklungspolitische Rolle rückwärts, indem sie gemeinsam mit den Initiatoren des sogenannten 'Bonner Aufrufs' fordern, Entwicklungszusammenarbeit so weit wie möglich an den staatlichen Institutionen der Partnerländer vorbeizuleiten", kritisierte Hoppe. Dies würde dem Aufbau von weiteren Parallelstrukturen Vorschub leisten.

Auch das Drängen von Union und FDP für eine stärkere Verzahnung von Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsförderung widerspreche dem Geist der Accra-Erklärung, in der eine weitgehende Aufhebung der Lieferbindung gefordert wird", mahnte Thilo Hoppe. "Entwicklungszusammenarbeit soll zu allererst der Erreichung der Millenniumsziele dienen und darf nicht dem Bestreben untergeordnet werden, der Exportindustrie der Geberländer Aufträge zu verschaffen." Hoppe ist Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) im Deutschen Bundestag.

BMZ: MANGELNDE KOHÄRENZ

Barbara Unmüßig, Vorstandsvorsitzende der grünen-nahnen Heinrich Böll Stiftung (HBS), erklärte im Interview mit Entwicklungspolitik Online, sie finde es "gut", dass die Entwicklungspolitik unter einem Legitimationsdruck stehe, "seit es sie gibt". Es sei aber ein "Armutszeugns" der Bundesregierung, dass sie es bislang versäumt habe, ihre Hausaufgaben zu machen und die längst fällige Fusion von KfW-Entwicklungsbank und Deutscher Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) auf den Weg zu bringen. In der Pariser Erklärung sei schließlich festgelegt, dass die Geber ihrer Veranwortung zu mehr Kohärenz nachkommen müssten.


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