kinderspeisung_bfdw_ursula_dornberger_200Rom/Berlin (epo.de). - Die Zahl der an Hunger leidenden Menschen ist im letzten Jahr um 98 Millionen auf rund 925 Millionen gesunken. Diese Zahlen gab die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) am Dienstag in Rom bekannt. Die Entwicklungsorganisation Oxfam erklärte, es gebe keinen Grund zur Entwarnung. Die Zahl der Hungernden weltweit könne bis 2015 aber halbiert werden, wenn konsequent die Ursachen des Hungers angegangen würden.

Die FAO gab die aktuelle Zahl der Hungernden im Vorfeld des UN-Gipfels zu den Millenniums-Entwicklungszielen (Millennium Development Goals, MDGs) bekannt, der vom 20. bis 22. September in New York stattfindet. Detalliertere Informationen wird der jährliche Bericht "The State of Food Insecurity in the World" (SOFI) enthalten, der im Oktober veröffentlicht werden soll.

Die Tatsache, dass alle sechs Sekunden ein Kind an Unterernährung oder den damit verbundenen Problemen sterbe, bleibe der größte Skandal in der Welt, sagte FAO-Generaldirektor Jacques Diouf in Rom. Das UN-Ziel, den Hunger bis 2015 zu halbieren, werde ernsthaft gefährdet, zumal die jüngsten Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln zusätzliche Hemmnisse bei der Bekämpfung des Hungers darstellten.

"Das energische und dringende Handeln von einzelnen Staaten und der Weltgemeinschaft haben erfolgreich dazu beigetragen, den rapiden Anstieg der Hungerzahlen zu stoppen", sagte die Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), Josette Sheeran. "Aber dies bedeutet nicht, dass wir uns zurücklehnen können. Wir müssen den Hunger weiter bekämpfen, um Stabilität sicherzustellen und um das Leben und die Würde der Menschen zu schützen."

KEIN GRUND ZUR ENTWARNUNG

"Die Zahl der Hungernden verharrt auf hohem Niveau. Der Rückgang ist kein Grund zur Entwarnung: 925 Millionen Hungernde sind immer noch skandalös!", sagte Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale. Die zurückgegangenen Zahlen sind laut Oxfam vor allem auf zwei gute Ernten und nicht auf politisches Eingreifen oder mehr Investitionen in eine nachhaltige Landwirtschaft zurückzuführen.

Oxfam legte am Dienstag eine neue Studie vor, derzufolge der weltweite Hunger innerhalb von fünf Jahren halbiert werden kann. "Um den Hunger bis 2015 zu halbieren, müssen jetzt konsequent seine Ursachen bekämpft werden", erklärte Wiggerthale. Dazu zählten neben fehlenden Investitionen in Landwirtschaft und ländliche Entwicklung vor allem unfaire Handelsregeln, der Klimawandel, Boden- und Nahrungsmittelspekulation sowie die Verschlechterung (Degradation) der Böden. "Die Ursachen sind vielfältig, aber mit einer kohärenten Politik und mehr und besserer Entwicklungshilfe ist die Halbierung des Hungers bis 2015 zu schaffen."

In einer Woche treffen sich in New York die UN-Mitgliedsstaaten, um die Fortschritte bei den Millennium-Entwicklungszielen, einschließlich des Ziels der Halbierung des Hungers bis 2015, zu überprüfen. Oxfam forderte die Staats- und Regierungschefs auf, konkrete Schritte zur Hungerbekämpfung als Teil eines umfassenden MDG-Rettungspakets zu unterstützen. "Die Staatengemeinschaft hat das Ziel der Halbierung des Hungers in den letzten Jahren vernachlässigt. Wir wissen, dass es geht und wie es geht. Es fehlt nur der politische Wille", betonte Wiggerthale.

Auch die Bundesregierung stehe in der Pflicht, einen nationalen MDG-Aktionsplan zu verabschieden, so Oxfam. Dazu gehörten konkrete Schritte zur Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens bis 2015. "Um die Zielmarke zu erreichen, müssen die deutschen Entwicklungsgelder bis 2015 um jährlich rund 2 Milliarden Euro erhöht werden", sagte Tobias Hauschild, Oxfams Experte für Entwicklungsfinanzierung. Stattdessen plane die Bundesregierung Kürzungen des Entwicklungsetats in Höhe von 380 Millionen Euro bis 2014. "Das ist ein Skandal erster Güte", so Hauschild. "Neue Finanzierungsmechanismen, wie die geplante Besteuerung der Finanzmärkte und die Flugticketabgabe, könnten mehr Geld für Entwicklung einbringen."

KEINE TRENDWENDE

Die Reduzierung der Zahl der Hungernden erkläre sich vor allem dadurch, dass ein höheres Wirtschaftswachstum erwartet wird und die Nahrungsmittelpreise seit 2008 gesunken sind, erklärte die Welthungerhilfe. Sie warnte davor, beim Kampf gegen den Hunger nachzulassen. "Die neue Prognose ist keine Trendwende, denn die Zahl der Hungernden nimmt seit mehr als zehn Jahren kontinuierlich zu. Hinter diesen Zahlen verbergen sich menschliche Schicksale: Kinder, die jeden Abend hungrig zu Bett gehen und Frauen, die nicht wissen, wie sie ihre Familie am Leben erhalten können. Deshalb reicht eine unverbindliche Erklärung der Staats- und Regierungschefs beim Weltarmutsgipfel nächste Woche in New York nicht aus. Das 21. Jahrhundert droht zu einem Hungerjahrhundert zu werden", sagte Wolfgang Jamann, der Generalsekretär der Welthungerhilfe.



Die Welthungerhilfe fordert zum Weltarmutsgipfel einen verbindlichen Aktionsplan zur Reduzierung von Hunger und Armut. Sowohl die Geberländer als auch die Entwicklungsländer müssten dabei in die Pflicht genommen werden. Die Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft sowie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der ländlichen Räume sollten im Mittelpunkt solcher Aktionspläne stehen. "Zwei von drei Hungernden leben auf dem Land. Dort müssen wir ansetzen, um den Hunger an der Wurzel zu packen", betonte Jamann.

Foto: Kinderspeisung © Brot für die Welt/Ursula Dornberger

www.fao.org
www.wfp.org
www.oxfam.de
www.welthungerhilfe.de

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