aaBerlin. - Die Bundesregierung hat am Mittwoch in Berlin ressort-übergreifende Leitlinien für eine kohärente Politik gegenüber "fragilen Staaten" vorgestellt. Dabei geht es um einen Ansatz der vernetzten Sicherheit, bei dem Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium und Entwicklungsministerium zusammenarbeiten. In Krisen wollen die beteiligten Ministerien länder- oder regionenspezifische "Task Forces" einsetzen.

Gemeinsam mit Verteidigungsminister Lothar de Maizière und Entwicklungsminister Dirk Niebel Niebel stellte Außenminister Guido Westerwelle die Leitlinien am Mittwoch in Berlin vor. Ihr Kern ist ein vernetzter Ansatz in der Außen- und Sicherheitspolitik. Bei krisenhaften Zuspitzungen in bestimmten Ländern wollen die beteiligten Bundesministerien länder- oder regionenspezifische "Task Forces" (Arbeitsstäbe) einberufen, die rasches ressortabgestimmtes Handeln erlauben sollen. Diese "Task Forces" werden von den jeweiligen Regionalbeauftragten des Auswärtigen Amts geleitet. Bisherige Beispiele für eine solche Bündelung ressortübergreifender Expertise waren laut Auswärtigem Amt "Task Forces" zur Lage in Sudan und in Syrien.

Ziel des entwicklungspolitischen Engagements sei gerade in fragilen Staaten, den Menschen – besonders jungen Menschen – Perspektiven zu ermöglichen und damit auch Formen von Extremismus den Nährboden zu entziehen, teilte das Entwicklungsministerium (BMZ) mit. Fragile Staaten bergen erhebliche Gefahren für die regionale und internationale Sicherheit. Beispiele für Staaten mit gewaltsamen Konflikten und dem teilweisen oder gänzlichen Zusammenbruch staatlicher Ordnung sind - bei aller Verschiedenheit - Somalia, Jemen, Afghanistan und Mali. Unter Federführung des Auswärtigen Amts hat die Bundesregierung nun Leitlinien für den Umgang mit solchen Ländern erarbeitet.

Zu den Aufgaben der Arbeitsstäbe zählt nach Angaben des Auswärtigen Amtes die Lageanalyse, die Weiterleitung von Informationen an alle relevanten Stellen, die Festlegung klarer Ziele des deutschen Engagements, die Abstimmung der Ressortbeiträge und die internationale Koordinierung. Die Bundesregierung wolle sich dabei von klaren Prinzipien leiten lassen: So wolle sie an örtliche Traditionen anknüpfen und lokale Eliten und Kerngruppen einbinden. "Man kann in fragilen Staaten nicht für Stabilität sorgen, indem man alles durch unsere Brille betrachtet", sagte Außenminister Westerwelle.

Antworten müssten vor dem Hintergrund ethnischer und religiöser Gebenheiten gesucht werden. Mit Blick auf die betroffenen Staaten will die Bundesregierung außerdem langfristige Reformprozesse unterstützen, die Rolle von Regionalorganisationen stärken und sich mit ihren internationalen Partnern absprechen.

Sehr wichtig sei auch das Einwirken auf die Gesellschaften in schwachen Staaten. "Viel zu lange wurde die Stabilität von Staaten mit der Stabilität von Regierungen verwechselt", so der deutsche Außenminister. Entscheidend sei aber, ob eine Gesellschaft stabil sei. Dies sei auch die Lehre aus dem "Arabischen Frühling". Westliche Staaten müssten in ihrer Erwartungshaltung an die Entwicklung fragiler Staaten zudem realistisch bleiben. Ziel müsse anstatt eines idealen Zustands oft genug eine hinreichend gute Regierungsführung ("good enough governance") bleiben. Gleichwohl dürfe man nicht nachlassen, eigene Werte konsequent zu vertreten. Denn - so auch Verteidigungsminister de Maizière - die deutsche Politik sei beides: interessengeleitet und werteorientiert.

Die Leitlinien gehen auf einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag zurück. Sie sind in enger Zusammenarbeit zwischen dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entstanden. In die Beratungen wurden u.a. auch Abgeordnete des Deutschen Bundestags und Wissenschaftler mit einbezogen.

"Fragile Staaten dürfen nicht erst in unser Blickfeld rücken, wenn die deutsche Außenwirtschaft betroffen ist oder Terrorgefahr droht", kritisierte der außenpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Jan van Aken. "Prävention muss anfangen, bevor deutsche Interessen bedroht sind. Ganz offensichtlich interessiert sich die Bundesregierung weder für die Ursachen von Staatszerfall noch für die Menschen, die in Krisenregionen leben. Auslandseinsätze der Bundeswehr mit 'robustem Profil' gehören in den Leitlinien wie selbstverständlich zur Durchsetzung deutscher Interessen, während Entwicklungszusammenarbeit nachrangig behandelt wird. An dem so alten wie falschen Credo 'erst mal militärische Sicherheit, dann Entwicklung' wird weiter festgehalten."

"Bei krisenhaften Entwicklungen will die Bundesregierung nun ressortübergreifende Arbeitsstäbe einsetzen", erklärte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin. "Ein kohärentes Konzept sieht wahrlich anders aus. Was ist die Strategie im Umgang mit Ressourcenknappheit, fehlender Staatlichkeit, Terrorismus, Armut? Wie soll die zivil-militärische Zusammenarbeit in Krisenländern aussehen? Wie ist das Gerede von Krisenprävention mit dem unkontrollierten Export von Rüstungsgütern in instabile Regionen vereinbar? Dazu haben die Herren Westerwelle, de Maizère und Niebel nichts zu sagen. So bleibt nur die hilflose Geste, sich selbst Empfehlungen auszustellen."

www.auswaertiges-amt.de
www.bmz.de

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